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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017_N


Dies ist die deutsche Version des Artikels. Die englische Version finden Sie hier.
Leitartikel
Digitalisierung

[Digitale Kompetenzen im Gesundheitswesen – eine Standortbestimmung]

 Inga Hege 1,2
Daniel Tolks 3,4
Sebastian Kuhn 5
Thomas Shiozawa 6

1 Universität Augsburg, Medizinische Fakultät, Lehrstuhl Medical Education Sciences, Augsburg, Deutschland
2 Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München,
3 Klinikum der LMU München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
4 Leuphana Universität Lüneburg, Zentrum für angewandte Gesundheitswissenschaften, Lüneburg, Deutschland
5 Universität Bielefeld, Medizinische Fakultät OWL, Digitale Medizin, Bielefeld, Deutschland
6 Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Klinische Anatomie und Zellanalytik, Tübingen, Deutschland




Leitartikel

Unsere Gesellschaft befindet sich im digitalen Wandel – digitale Technologien sind kein Neuland mehr, sondern der Umgang damit ist alltäglicher geworden. Insbesondere durch die COVID-19 Pandemie hat sich dieser Wandel in vielen Bereichen der Gesellschaft in sehr kurzer Zeit noch mehr beschleunigt und dies hat weitreichende Konsequenzen für die Gesundheitsberufe und die medizinische Ausbildung.

Der Gesundheitssektor verändert sich durch den zunehmenden Einsatz von digitalen Gesundheitsanwendungen, Telemedizin oder Künstliche-Intelligenz (KI) -Anwendungen [1] insbesondere in der Diagnosestellung und Therapieplanung. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen E-Health [2] und individualisierte Medizin. Patient*innen können sich im Internet informieren und bekommen über Health-Apps Zugriff auf eine Fülle von persönlichen Gesundheitsdaten [3]. Gleichzeitig bestehen hier die Herausforderung darin, Informationsqualität sicherzustellen, eine Orientierung von Patient*innen in diesem Umfeld zu unterstützen und den Schutz der der Daten und Persönlichkeitsrechte zu gewährleisten.

Der rasche Wandel in eine digitalisierte Gesundheitswelt und die damit einhergehenden Anforderungen erfordern weitreichende Kompetenzen von Fachkräften im Umgang mit digitalen Technologien, sowohl in der Ausbildung als auch im klinischen Alltag aller Gesundheitsberufe [4]. So müssen sie beispielsweise digitale Behandlungsansätze einordnen können, neue praktische Fertigkeiten erlernen oder ihre Haltung zur digitalen Gesundheitsversorgung reflektieren. U.a. forderte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz eine strukturierte und verpflichtende didaktische Fortbildung der Hochschullehrenden zu diesen Themen [5].

Diese Herausforderungen gilt es auch an den Universitäten, Hochschulen und Schulen für Gesundheitsberufe in Zukunft zu bewältigen. Die Kernfragen sind:

  • Welche digitalen Kompetenzen benötigen Mitarbeiter*innen in den Gesundheitsberufen in der Zukunft?
  • Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Verhältnis von Patient*innen und Ärzt*innen, Pflegekräften und weiteren Gesundheitsberufen?
  • Wie muss sich die Aus-, Fort- und Weiterbildung in den Gesundheitsberufen weiterentwickeln, um den Anforderungen einer digitalen Gesellschaft gerecht zu werden?

Mit diesem Themenheft werden eine Reihe von wichtigen Aspekten in der Ausbildung aus verschiedenen Perspektiven adressiert. Ein Schwerpunkt der Artikel liegt dabei auf der curricularen Umsetzung sowohl von digitalen Kompetenzen allgemein, als auch auf speziellen Themen, wie z.B. der KI.

Eine Umfrage unter den Medizinischen Dekanaten der Schweiz zeigte, dass die Bedeutung der Vermittlung von digitalen Kompetenzen erkannt wurde und der curriculare Aufbau trotz einiger Herausforderungen vielerorts stattfindet [6].

Auch in Deutschland wurden Curricula entwickelt oder sind im Aufbau begriffen. Ein Beispiel ist die Einführung eines longitudinalen interdisziplinären Wahlpflichtbereichs "Digital Health" für Studierende der Medizin ab dem 5. Semester an der Universität Hamburg [7]. Und auch an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wird seit 2017 ein Wahlpflicht-Curriculum zur Förderung von digitalen Kompetenzen erfolgreich umgesetzt und evaluiert [8].

Zum Thema KI bietet die Justus-Liebig-Universität Gießen ein erfolgreiches multi-disziplinäres Seminar für Studierende der Medizin und der Naturwissenschaften an [9].

Die digitalen Kompetenzen der Studierenden in Bezug auf die Nutzung des Internets – auch in Abgrenzung zur in letzter Zeit häufig publizierten Thema der Internet-Sucht – werden in einem Kommentar thematisiert [10].

Schick et al. beschäftigen sich mit der Förderung von kommunikativen Kompetenzen mit Hilfe digitaler Medien, um die Qualität der medizinischen Ausbildung und Versorgung langfristig zu verbessern [11].

Das HiGHMed Konsortium beleuchtet gemeinsam mit dem Ausschuss Digitalisierung der GMA die Situation in der Medizinischen Informatik in einem Workshop-Bericht, und fordert eine bessere Vernetzung der verschiedenen Initiativen und Innovationen [12].

Abschließend beschreiben Mitglieder der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) die Perspektive der Studierenden auf die Digitalisierung in ihrem Kommentar „Die Digitalisierungsaliens“ [13].

Mit dieser vielversprechenden, breiten und interdisziplinären Beleuchtung der Vermittlung digitaler Kompetenzen aus verschiedenen Perspektiven bietet das Themenheft eine Diskussionsbasis, welche den Medizinischen Fakultäten und Hochschulen und Schulen für Gesundheitsberufe als eine Grundlage für die Herausforderungen der Digitalisierung dienen können, und Ausgangspunkt für die Entwicklung einer gemeinsamen Digitalisierungsstrategie sein können. Eine strukturierte Vermittlung von digitalen Kompetenzen sollte dabei das Ziel sein.

Zukünftig wäre eine Erforschung der umgesetzten Ausbildungsstrategien hinsichtlich der Wirksamkeit im späteren Arbeitsalltag sowie ein noch stärkerer Fokus auf interprofessionelle Aspekte bei der Vermittlung digitaler Kompetenzen interessant.

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

[1] Masters K. Artificial intelligence in medical education. Med Teach. 2019;41(9):976-980. DOI: 10.1080/0142159X.2019.1595557
[2] Kampmeijer R, Pavlova M, Tambor M, Golinowska S, Groot W. The use of e-health and m-health tools in health promotion and primary prevention among older adults: a systematic literature review. BMC Health Serv Res. 2016;16 Suppl 5:290. DOI: 10.1186/s12913-016-1522-3
[3] Higgins JP. Smartphone Applications for Patients' Health and Fitness. Am J Med. 2016;129(1):11-19. DOI: 10.1016/j.amjmed.2015.05.038
[4] Konttila J, Siira H, Kyngäs H, Lahtinen M, Elo S, Kääriäinen M, Kaakinen P, Oikarinen A, Yamakawa M, Fukui S, Utsumi M, Higami Y, Higuchi A, Mikkonen K. Healthcare professionals' competence in digitalisation: A systematic review. J Clin Nurs. 2019;28(5-6):745-761. DOI: 10.1111/jocn.14710
[5] Alt PA. Welche virtuelle Lehre brauchen wir? In: University Future Festival 2020. Essen, 06-08.10.2020. Essen: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V.; 2020. Zugänglich unter/available from: https://festival.hfd.digital/de/programm/conference-day/
[6] Hautz S, Exadaktylos AK, Hautz WE, Sauter TC. Digitale Kompetenzen in der medizinischen Ausbildung der Schweiz - eine Standortbestimmung. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc62. DOI: 10.3205/zma001355
[7] Werner R, Henningsen M, Schmitz R, Guse AH, Augustin M, Gauer T. Digital Health meets Hamburger Modellstudiengang iMED: Konzept und Einführung des neuen interdisziplinären Hamburger Wahlpflichtbereichs Digital Health. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc61. DOI: 10.3205/zma001354
[8] Kuhn S, Müller N, Kirchgässer E, Ulzheimer L, Deutsch KL. Digitale Kompetenzen für Medizinstudierende - Qualitative Evaluation des Curriculum 4.0 "Medizin im digitalen Zeitalter. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc60. DOI: 10.3205/zma001353
[9] Lang J, Repp H. Künstliche Intelligenz im Medizinstudium und die Bedeutung des Zusammenspiels mit natürlicher Intelligenz - ein interdisziplinärer Ansatz. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc59. DOI: 10.3205/zma001352
[10] Masters K, Herrmann-Werner A. Medical student internet usage: is the literature correct to call it addiction? An opinion piece. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc58. DOI: 10.3205/zma001351
[11] Schick K, Reiser S, Mosene K, Schacht L, Janssen L, Thomm E, Dinkel A, Fleischmann A, Berberat PO, Bauer J, Gartmeier M. Wie kann die kommunikative Ausbildung im Medizinstudium durch Digitalisierung verbessert werden? GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc57. DOI: 10.3205/zma001350
[12] Benning NH, Haag M, Knaup P, Kreftig D, Rienhoff O, Suhr M, Hege I, Tolks D. Digitale Lehre als Wegbereiter für standortübergreifende Lehrverbünde in Medizinischer Informatik. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc56. DOI: 10.3205/zma00001349
[13] Schmitz L, Aulenkamp J, Bechler D, Grütters J. The digitalization aliens. GMS J Med Educ. 2020;37(6):Doc55. DOI: 10.3205/zma001348