[Virtueller Auskultationskurs für Medizinstudierende via Videokonferenz in Zeiten von COVID-19]
Nils Rüllmann 1Unaa Lee 2,3
Kathrin Klein 3,4
Bastian Malzkorn 1
Ertan Mayatepek 2,3
Matthias Schneider 1
Carsten Döing 1,2
1 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Düsseldorf, Deutschland
2 Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie, Düsseldorf, Deutschland
3 Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Düsseldorf, Deutschland
4 Universitätsklinikum Düsseldorf, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Düsseldorf, Deutschland
Zusammenfassung
Einleitung: Auskultationsfertigkeiten gehören zu den grundlegenden Fertigkeiten, die in der medizinischen Ausbildung erlernt werden müssen. Diese werden durch supervidierte Patientenuntersuchung erworben und können durch simulatorbasiertes Lernen unterstützt werden.
Die COVID-19-Pandemie hat die praktisch medizinische Ausbildung vor Ort weltweit beeinträchtigt und behindert diese weiterhin.
Projektbeschreibung: An der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf wurde in Zeiten von Kontaktbeschränkungen aufgrund von COVID-19 ein virtueller Auskultationskurs etabliert. Das interaktive, fallbasierte Online-Seminar wurde entwickelt, um die Hörtechniken, die Beschreibung und die Interpretation von Auskultationsbefunden in einem Off-Site-Kontext zu verbessern. Es wurden klinische Fälle mit voraufgezeichneten Auskultationsbefunden und zusätzlicher fallbasierter Diagnostik vorgestellt. Der Kurs konzentrierte sich auf häufige Herzgeräusche einschließlich der Stenosen und Insuffizienzen von Aorten- und Mitralklappe sowie auf angeborene Herzfehler (Ventrikelseptumdefekt und persistierender Ductus arteriosus).
Ergebnisse: Der Kurs wurde von den Studierenden gut angenommen und als nützlich und lehrreich bewertet. Die Beurteilung von Lerneffekten, wie z.B. das Erkennen von pathologischen Befunden vor und nach dem Training, wird im Rahmen einer Folgestudie untersucht.
Schlussfolgerung: Virtuelles interaktives Lernen mittels Geräuschsimulationseinheiten mit klinischen Fallpräsentationen via Videokonferenz kann als Ergänzung zum praktischen Auskultationstraining eingesetzt werden. Dieses Lernformat könnte auch weiterhin im Curriculum des Medizinstudiums genutzt werden, sobald die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden.
Schlüsselwörter
COVID-19, Fernunterricht, virtuelle Auskultation, fallbasiertes Lernen, Peer-Teaching, Skills Lab, Videokonferenz
Einführung
Auskultationsfertigkeiten gehören zu den wichtigsten grundlegenden Untersuchungstechniken, die im Medizinstudium erlernt werden müssen [1]. Die Beherrschung der kardialen, pulmonalen und abdominalen Auskultation erfordert die Entwicklung komplexer auditiver Fähigkeiten. Diese werden in Untersuchungskursen, am Krankenbett und in Vorlesungen vermittelt. In Famulaturen oder in klinischen Rotationen variiert die Qualität der Auskultationsausbildung stark [2], [3]. Der Unterricht am Krankenbett ist durch ein hohes Studierenden-Patienten-Verhältnis und die Variabilität der klinischen Präsentationen limitiert [4]. Die Untersuchung unkooperativer Patient*innen (z.B. Kinder), der Mangel an Lehrstethoskopen für die simultane Auskultation und die wechselnde Exposition gegenüber seltenen Untersuchungsbefunden sind weitere Herausforderungen [4], [5].
Neuartige Methoden für den Auskultationsunterricht sind die Verwendung von Patientensimulatoren, multimedialen Lehrprogrammen oder der Einsatz von elektronischen Stethoskopen [5], [6], [7], [8], [9], [10].
Während der COVID-19-Pandemie waren Medizinstudierende vorübergehend nicht in der Lage am Praxisunterricht teilzunehmen und Kontaktbeschränkungen behinderten die Interaktion mit Patient*innen. Daher bestand ein dringender Bedarf an alternativen Ausbildungsmethoden [11]. Voraufgezeichnete Auskultationsbefunde werden seit vielen Jahren für den Unterricht an der medizinischen Fakultät und in der klinischen Fortbildung verwendet [12], [13], [14].
Ein virtueller Auskultationskurs mit klinischen Fällen und Audio-Auskultationsbeispielen wurde eingeführt, um den Mangel an praktischer Ausbildung vor Ort zu kompensieren. Das Format der Videokonferenz als synchrones Kommunikationsformat wurde gewählt, da es dem interaktiven Charakter des Präsenzunterrichts am ehesten entspricht.
Beschreibung des Projekts
Ein interaktiver fallbasierter Online-Kurs wurde kurzfristig konzipiert, um die Hörtechniken sowie die Beschreibung und Interpretation von Auskultationsbefunden in einem Off-Site-Kontext zu verbessern. Abbildung 1 [Abb. 1] zeigt die Struktur des Kurses.
Abbildung 1: Struktur des virtuellen Auskultationskurses
Es wurden klinische Fälle mit voraufgezeichneten Auskultationsgeräuschen und zusätzlicher fallbasierter Diagnostik angepasst an das Modell des fallbasierten Lernens [15] vorgestellt. Das klinische Wissen wurde vertieft indem notwendige Diagnostik, Differentialdiagnosen und Therapie diskutiert wurden. Der Peer-Teaching-Kurs wurde von einem Medizinstudenten konzipiert und von Kinder- und Erwachsenenkardiologinnen supervidiert.
Der virtuelle Auskultationskurs konzentrierte sich auf häufige Herzgeräusche einschließlich der Stenosen und Insuffizienzen von Aorten- und Mitralklappe sowie auf angeborene Herzfehler (Ventrikelseptumdefekt und persistierender Ductus arteriosus). Es wurden Audio-Auskultationsdateien verwendet, die mit einem analogen Simulator für Herztöne und Herzgeräusche erstellt wurden. Die Dateien sind Teil des Online-Lernprogramms Clinisurf [https://clinisurf.elearning.aum.iml.unibe.ch/] der Universität Bern, Schweiz, und wurden mit freundlicher Genehmigung verwendet.
Der Kurs fand per Videokonferenz auf Microsoft (MS) Teams statt [https://www.microsoft.com/de-de/]. Mit MS PowerPoint erstellte Folien wurden hochgeladen und mit den Teilnehmenden geteilt. Die Auskultationsgeräusche wurden als Audiodateien in die Folien eingebettet. Die in MS-Teams hochgeladenen Folien ermöglichten es den Teilnehmenden, die Auskultationsbefunde individuell abzuspielen.
Der Kurs begann mit einer Rekapitulation der Stethoskop-Platzierung und der Herztöne, gefolgt von Hinweisen zur Beschreibung der Auskultationsergebnisse.
Herzgeräusche wurden im Kontext von Patient*innenfällen präsentiert: Den Studierenden wurden Patient*innen vorgestellt, die sie virtuell über Kopfhörer auskultierten. Nach der Beschreibung des Charakters der Geräusche und der Diskussion der Differentialdiagnosen wurde die richtige Diagnose vorgestellt.
Die Töne und Geräusche wurden anhand von Diagrammen visualisiert und mit anderen Auskultationsbefunden verglichen. Zur Visualisierung der Auskultationspositionen wurden Videos gezeigt, die mit freundlicher Genehmigung von AMBOSS [https://www.amboss.com/de] verwendet wurden. Abschließend wurden diagnostische und therapeutische Möglichkeiten diskutiert.
Der Kurs dauerte zwei Stunden mit 6 bis 7 Teilnehmenden. Die Teilnehmenden waren Studierende im Praktischen Jahr und im klinischen Studienabschnitt, die den Famulaturreifekurs abgeschlossen hatten. Der Kurs wurde wöchentlich abends angeboten, so dass auch Studierende im Praktischen Jahr daran teilnehmen konnten. Der Kurs wurde von den Teilnehmenden mit Hilfe des Online-Evaluationsformulars der Medizinischen Fakultät bewertet, das routinemäßig für curriculare Kurse verwendet wird.
Ergebnisse
Alle angebotenen Kurse waren ausgebucht, hinweisend auf eine hohe Nachfrage nach elektiven virtuellen Kursen als Alternative zum rein theoretischen Lernen insbesondere während der COVID-19-bezogenen Kontaktbeschränkungen. Der Kurs wurde im Sommersemester 13 Mal durchgeführt (Gesamtteilnehmendenzahl N=72).
Die Teilnehmenden wurden gebeten, den Kurs anhand einer sechsstufigen Likert-Skala (beste Punktzahl=1) und freier Textkommentare zu bewerten. Die verwendeten Medien wurden als sinnvoll beurteilt (MW=1,2, SD=0,5, N=63). Die Teilnehmenden bewerteten die Wiederkennung der im Kurs vorgestellten Auskultationsbefunde als gut (MW=1,7; SD=0,7, N=63) und gaben ein hohes Maß an Zufriedenheit an (MW=1,2; SD=0,5, N=64).
In Kommentaren empfahlen die Teilnehmenden, den Kurs in das reguläre Curriculum zu integrieren und berichteten, dass in Kursen mit Unterricht am Krankenbett nicht immer genügend Zeit für die individuelle Auskultation aller Patienten zur Verfügung stehe. Kritisches Feedback bezog sich auf sporadisch auftretende technische Probleme der Bild- und Tonqualität aufgrund von Verbindungsproblemen.
Diskussion
Aufgrund des freiwilligen Charakters der Kursteilnahme und der vermutlich hohen Motivation der Teilnehmenden sind diese Ergebnisse nur erste Tendenzen.
Zeitliche Beschränkungen während der initialen Phase der Pandemie verhinderten eine formale Bewertung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des virtuellen Kursformats. Die positive Resonanz rechtfertigt die Fortführung des Kurses im kommenden Semester mit der Initiierung einer randomisierten kontrollierten prospektiven Studie zur Lehreffektivität.
Stärken des virtuellen Lehrkonzeptes sind die mögliche Skalierbarkeit, die Unabhängigkeit von Ort und Zeit sowie die mögliche curriculare Verankerung in der Vorbereitung auf den kardiologischen Unterricht am Krankenbett im Sinne des Blended Learning. Das Projekt ist sowohl inhaltlich als auch konzeptionell und technisch auf andere Standorte übertragbar.
Einschränkungen sind die technischen Voraussetzungen, fehlender Patient*innenkontakt sowie die fehlende Verwendung des eigenen Stethoskops mit Identifizierung des Musters der Herzgeräuschausstrahlung über dem Thorax.
Schlussfolgerung
Der Kurs stieß auf eine hohe Nachfrage, Akzeptanz und Zufriedenheit, darauf hinweisend, dass virtuelle Kurse eine Alternative für Kleingruppenunterricht sein können, wenn keine Präsenzlehre stattfinden kann.
Das Interesse der Studierenden an den Kursen unterstreicht die Bedeutung der klinischen Ausbildung zur Verbesserung der Auskultationsfertigkeiten. Dem Konzept des Blended Learning folgend, wird das Kursangebot praktische Kurse mit Auskultationssimulatoren beinhalten, sobald der Unterricht vor Ort wieder aufgenommen wird. Dieser kombinierte Ansatz kann zu einem verbesserten Erwerb klinischer Fertigkeiten führen.
Interessenkonflikt
Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
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[3] Mangione S. Cardiac auscultatory skills of physicians-in-training: a comparison of three English-speaking countries. Am J Med. 2001;110(3):210-216. DOI: 10.1016/S0002-9343(00)00673-2
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