[Claudia Schlegel, editor: OSCE – Kompetenzorientiert Prüfen in der Pflegeausbildung]
Elvira Pippel 11 HejSim GmbH, Berlin, Deutschland
Bibliographische Angaben
Claudia Schlegel, editor
OSCE – Kompetenzorientiert Prüfen in der Pflegeausbildung
Verlag: Springer
Erscheinungsjahr: 2023, Seiten: 190, Preis: € 49,99
ISBN: 978-3-662-67059-0
ISBN (eBook): 978-3-662-67060-6
Rezension
OSCE-Prüfungen sind international in den Gesundheitsfachberufen seit vielen Jahren fester Bestandteil von Curricula und in Deutschland insbesondere in der medizinischen Ausbildung bereits verankert. In den letzten Jahren beginnen sich OSCE-Prüfungen auch in der Pflegeausbildung in Deutschland weiter zu verbreiten. An vielen Pflegeschulen und Hochschulen entstehen kompetenzorientierte Prüfungsformate, allerdings fehlt es an begleitender Literatur, die die vielfältigen internationalen Ergebnisse systematisch zusammenfasst. Insbesondere fehlt Literatur, die die spezifischen Herausforderungen in der Pflege in den Blick nimmt.
Mit der 190 Seiten starken Buchveröffentlichung von Schlegel liegt die 2. Auflage eines Handbuches (sic!) vor, welches sich „in erster Linie als Leitfaden für die praktische Anwendung“ versteht. Es ist explizit „keine wissenschaftliche Abhandlung über die OSCE-Prüfung“. Das Buch richtet sich an alle Fachpersonen, die in der Pflegeausbildung tätig sind. Passend zur Struktur des Handbuchs ist es möglich, einzelne Unterkapitel selektiv zu lesen, ohne dabei den Überblick zu verlieren. Das Stichwortverzeichnis kann insbesondere als Hilfe bei der Suche nach einzelnen OSCE-Stationen genutzt werden.
Inhaltlich ist das Handbuch in zwei Hauptteile gegliedert: Die ersten fünf Abschnitte bieten auf ca. 35 Seiten eine Einführung in die Konzeption einer OSCE-Prüfung. Dabei geht es um die Vorteile einer OSCE-Prüfung, die Entwicklung von OSCE-Stationen, Checklisten und globale Beurteilungskriterien, das Drehbuch für Simulationspersonen sowie das Prüfen nach Kompetenzstufen. Die im Buch beschriebenen OSCE-Stationen sind nach dem Konzept der Kompetenzentwicklung nach Rauner aufgebaut. Die ersten fünf Abschnitte bieten einen soliden Überblick und sind insbesondere für Einsteigerinnen und Einsteiger in das Thema geeignet.
Der Hauptteil des Handbuchs, Abschnitte 6-14, konzentriert sich auf die praktische Umsetzung der OSCE-Prüfung. Es werden einzelne OSCE-Stationen für das erste Bildungsjahr bis zum dritten Bildungsjahr von Pflegelernenden vorgestellt. Die Fokusse sind in allen drei Bildungsjahren gleich:
- Generalistische Ausbildung,
- Kinder, Jugendliche, Familie und Frauen,
- Psychiatrie.
Zunächst werden acht Schritte der Entwicklung von OSCE-Stationen beschrieben. Jede beschriebene OSCE-Station beinhaltet die Punkte Thema, Lernziele, Aufgabenstellung, Angaben zur Situation, Ort der Aktion, Beteiligung von Simulationspersonen, eine Checkliste und kurze Praxistipps. Beim Fokus Kinder, Jugendliche, Familie und Frauen wird in jedem Bildungsjahr der Prozess für die Entwicklung der Stationen aufgezeigt. In den Abschnitten zu den psychiatriespezifischen OSCE-Stationen erfolgt in allen Bildungsjahren die Rahmung der OSCE-Situationen entsprechend dem Bildungsstand und den entsprechenden Kompetenzanforderungen.
Der umfangreichste Teil des Buches liegt auf den einzelnen OSCE-Stationen und deren praktischen Umsetzung. Gut gelungen ist dabei die Vielfältigkeit der Fallbeispiele.
Das von den Autorinnen und Autoren praktisches Manual (sic!) genannte Buch verfolgt das Ziel, bei der Planung, Entwicklung und Gestaltung von kompetenzorientierten Prüfungen zur Anwendung zu kommen. Es soll dazu motivieren, OSCE-Prüfungen zu planen und durchzuführen. Diesem Anspruch wird das Buch gerecht, insbesondere das Kapitel zu Checklisten und globalen Beurteilungskriterien ist sehr gut aufbereitet. Für Einsteigerinnen und Einsteiger, welche sich in die Thematik einarbeiten und einen ersten Überblick benötigen, um selbst Stationen zu konzipieren ist das Manuel sehr geeignet. Für Fortgeschrittene bedarf es mehr Detailtiefe. Es bietet eine erste gute Orientierung, wobei eine weiterführende Literaturrecherche zu aktuellen Forschungsergebnissen und Entwicklungen z.B. zu den Themen Hybrid-OSCE, Simulationspersonen und Drehbuch fehlen. Der Ablauf einer OSCE-Prüfung mit Einbezug von Hinweisen zum Ressourcenmanagement, insbesondere für die Vor- und Nachbereitung wäre für Interessierte zusätzlich sinnvoll und wünschenswert gewesen. Zur besseren Orientierung fehlt die zeitliche Dimension für alle Fallbeispiele, das heißt, in welcher konkreten Zeit die Lernenden die Station absolvieren müssen. Ein Ausblick und die Einschätzung durch die sehr erfahrenen Autorinnen und Autoren in Bezug auf aktuelle und zukünftige Entwicklungen von OSCE-Prüfungen hätten das Manual sinnvoll ergänzt.
Hinsichtlich der Gestaltung des Handbuches ist deutlich erkennbar, dass eine Zielgruppe angesprochen werden soll, die praktische Tipps in der Orientierungsphase für die Konzeption von OSCE-Prüfungen benötigt. Das Layout ist übersichtlich, die Struktur leicht verständlich. Kurze Fließtexte, Grafiken und Tabellen wechseln sich durchgängig ab. Kleine Praxistipps werden noch einmal in separaten Infoboxen andersfarbig hervorgehoben.
In den Teilen der drei Bildungsjahre und unterschiedlichen Fokusse unterscheidet sich die Struktur je nach Autorin oder Autor. Die acht Schritte zur Entwicklung von OSCE-Stationen beim Fokus „generalistische Ausbildung“ veranschaulichen den Prozess im Rahmen der OSCE-Prüfung. Die Abschnitte zur Entwicklung der Stationen beim „Fokus F (Kinder, Jugendliche, Familie und Frauen)“ sind redundant in den Bildungsjahren zwei und drei. Die allgemeinen Anmerkungen zum Charakter psychiatriespezifischer OSCE-Stationen beim „Fokus Psychiatrie“ zeigen die komplexen Anforderungen in diesem Bereich.
Fazit
Eine Stärke des Handbuchs liegt in seiner klaren und übersichtlichen Gestaltung. Grafiken, Tabellen und Infoboxen lockern den Text auf und erleichtern das Verständnis. Mit Blick auf die Anforderungen an die Zuverlässigkeit einer OSCE-Prüfung zur Erfassung von pflegerischen Kompetenzen, bietet das Buch einen ersten Orientierungsrahmen für Personen, die eine OSCE-Prüfung an ihrer Institution erstmalig implementieren wollen und einen praxisorientierten Überblick benötigen. Seine Stärke liegt in der Beschreibung der konkreten OSCE-Stationen. Dennoch gibt es Raum für Verbesserungen, insbesondere hinsichtlich der Vertiefung des theoretischen Hintergrunds und der Einbeziehung aktueller Forschungsergebnisse. Die inhaltliche Vertiefung im wissenschaftsbasierten Theorieteil bleibt oberflächlich und bietet Platz für weitere Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet. Internationale Standards im Bereich Simulationslernen werden nicht ausreichend zitiert (International Nursing Association for Clinical Simulation and Learning (INACSL) Standards, The Association of Standardized Patient Educators (ASPE) Standards of Best Practice (SOBP)). Auch fehlt ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen von OSCE-Prüfungen in der Pflegeausbildung.
Wünschenswert wäre ein vergleichender Blick in andere Disziplinen gewesen, insbesondere der Medizin, der Psychologie oder Hebammenwissenschaft. Alle Disziplinen arbeiten bereits an der Umsetzung von OSCE-Prüfungen, so dass es sich lohnt, die Übertragbarkeit für die Profession Pflege zu prüfen. Damit verbunden wäre ergänzend zu den Ausführungen in den Abschnitten 1 – 5 ein Fokus auf die Qualitätssicherung in Bezug auf OSCE-Prüfungen gewesen.
Die 2. Auflage des Buches zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, konkrete OSCE-Stationen auf die eigene Institution zu übertragen. Die Vielfältigkeit der Curricula ist groß, die Grundlagen in der Lehre ebenso. Es bedarf gründlicher, eigener Überlegungen zu individuellen Bedarfen und Möglichkeiten, die insbesondere auch von vorhandenen Ressourcen abhängig sind. Gänzlich unbeleuchtet bleibt das Thema der psychologischen Sicherheit für Lernende, die eine OSCE-Prüfung absolvieren müssen. Nicht nur die Prüferinnen und Prüfer müssen auf die OSCE-Prüfung vorbereitet werden, sondern auch die zu prüfenden Personen. Dabei geht es nicht nur um die fachliche Vorbereitung innerhalb der Lehre, sondern insbesondere auch auf das von Lernenden zurecht als stressig empfundene Prüfungsformat der OSCE-Prüfung. Allen an der Konzeption und Durchführung von OSCE-Prüfungen Beteiligten muss bewusst sein, wie sich die zu prüfenden Personen fühlen, so dass eine physisch und psychisch sichere Prüfungsumgebung gewährleistet werden kann. Dabei geht es auch um Nachteilsausgleiche zum Beispiel in Bezug auf Schwangerschaft, Sprachbarrieren oder Prüfungsangst.
Ausblick
Die Veränderungen in der pflegerischen Ausbildung sind eng verbunden mit der weiter zunehmenden Akademisierung der Pflege. Hinzu kommt eine wachsende Anzahl an nationalen und internationalen Veröffentlichungen zu OSCE-Prüfungen. Die Vielfältigkeit der Durchführung von OSCE-Prüfungen im deutschsprachigen Raum verlangen einen gründlichen Blick für neue Entwicklungen und Forschungsergebnisse. Insofern bieten sich für das Buch noch zahlreiche Anknüpfung- und Vertiefungsmöglichkeiten, insbesondere für die Themen Zuverlässigkeit einer OSCE-Prüfung, Standardisierung von Simulationspersonen, Einsatz von OSCE-Prüfungen als formatives und summatives Assessmentinstrument und Training von Prüfenden. Das Grundgerüst der Konzeption und Planung einer OSCE-Prüfung wie im vorliegenden Buch beschrieben, kann als erster Schritt dienen, um sich dem Thema zu nähern.
Hinweis
Die Erstellung der englischsprachigen Fassung der Rezension erfolgte unter Zuhilfenahme von ChatGPT.
Interessenkonflikt
Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.