[Didaktisches Potenzial interdisziplinärer Besprechungen zu osteoartikulären Infektionen für orthopädische Assistenzärzte: Erkenntnisse aus einem französischen Referenzzentrum (CRIOAC)]
Ramy Samargandi 1,2Osamah Abualross 3
Marion Lacasse 4
Louis-Romée Le Nail 1
Julien Berhouet 1
1 Orthopedic Surgery Department, Centre Hospitalier Régional Universitaire (CHRU) de Tours, Tours, France
2 Orthopedic Surgery Department, College of Medicine, University of Jeddah, Jeddah, Saudi Arabia
3 College of Medicine, University of Jeddah, Jeddah, Saudi Arabia
4 Service de Médecine Interne – Maladies Infectieuses, Centre Hospitalier Régional Universitaire (CHRU) de Tours, Tours, France
Zusammenfassung
Zielsetzung: Das Management von osteoartikulären Infektionen (OAI) stellt eine bedeutende Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. Um diese zu bewältigen, hat das französische Gesundheitsministerium im Jahr 2008 die Centres de Référence des Infections Ostéo-articulaires Complexes (CRIOAC) ins Leben gerufen. CRIOAC fungiert als nationales Netzwerk von Referenzzentren für OAI mit dem Ziel, die Koordination, Expertise, Ausbildung und Forschung auf regionaler Ebene zu fördern. In den interdisziplinären Teambesprechungen (MTM-CRIOAC) diskutieren Experten komplexe OAI-Fälle und formulieren optimale Therapieentscheidungen. Diese Studie zielt darauf ab, das didaktische Potenzial der MTM-CRIOAC von orthopädischen Assistenzärzten einschätzen zu lassen und potenzielle Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.
Methoden: Zur Durchführung dieser Querschnittsstudie wurde ein validierter Fragebogen an orthopädische Assistenzärzte ausgegeben, die an den oben genannten Besprechungen teilnahmen, um Wahrnehmungen und Nutzen zu beurteilen. Die Meinungen wurden anschließend mit einer Likert-Skala erfasst und weiter analysiert.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigten, dass 75% der Teilnehmer die MTM als nützlich für die Ausbildung und 71% als geeignet für den Unterricht empfanden. Die Mehrheit (84%) berichtete, wertvolle Fähigkeiten erworben zu haben, wobei 78% das Wissen über komplexe osteoartikuläre Infektionen betonten. Die Assistenzärzte empfahlen, zur Verbesserung mehr Unterrichtseinheiten, aktive Beteiligung und ausführliche Fallzusammenfassungen zu integrieren. Bemerkenswert ist, dass 94% die Teilnahme an den MTM ihren Kollegen empfahlen. Die Studie unterstreicht das Potenzial der MTM in der medizinischen Ausbildung zur Verbesserung der klinischen Fähigkeiten und der kooperativen Gesundheitsversorgung unter orthopädischen Assistenzärzten.
Schlussfolgerung: Frühere Studien haben gezeigt, dass die MTM-CRIOACs die Behandlungsergebnisse der Patienten verbessert haben. In der Literatur wurde jedoch bisher nicht das didaktische Potenzial adressiert, das MTM-CRIOACs Assistenzärzten bieten könnten. Die Studie zeigt, dass diese Besprechungen eine Grundlage für Lehre, Bereicherung der klinischen Urteilskraft, Professionalität und kooperative Fähigkeiten der orthopädischen Assistenzärzte schaffen.
Schlüsselwörter
Bildung, Lehrmethoden, Orthopädie, Infektionen, Kommunikation, interdisziplinär
Einleitung
Knochen- und Gelenkinfektionen (BJI) stellen für Orthopäden im Alltag erhebliche Herausforderungen dar, und die wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Behandlung sind beträchtlich [1],[2] . Diese Infektionen haben einen tiefgreifenden Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen [3], [4], was die Notwendigkeit unterstreicht, ihre Häufigkeit zu minimieren und eine optimale Versorgung der Patienten mit solchen Erkrankungen sicherzustellen. Die adäquate und qualitativ hochwertige Behandlung von BJIs stellt eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar.
Als Reaktion auf dieses dringliche Problem hat das französische Gesundheitsministerium im Jahr 2008 proaktiv das Netzwerk der Centres de Référence des Infections Ostéo-articulaires Complexes (CRIOAC) ins Leben gerufen [5]. Diese Zentren bildet ein nationales Netzwerk von medizinischen Referenzzentren für BJIs mit der zentralen Aufgabe, die Koordination, Expertise, Ausbildung und Forschung auf regionaler Ebene zu fördern [6]. Durch dieses umfangreiche Netzwerk übernimmt CRIOAC eine zentrale Rolle bei der Behandlung der komplexesten BJI-Fälle, mit dem Ziel, den Patienten die bestmöglichen therapeutischen Strategien zu bieten.
Im Kern ist CRIOAC bestrebt, eine umfassende und kontinuierliche Betreuung von BJI-Patienten zu gewährleisten, vom initialen Krankenhausaufenthalt bis hin zum Übergang in die häusliche Pflege. Durch die Zusammenarbeit eines breiten Spektrums von Gesundheitsfachkräften und die Nutzung ihres Fachwissens verbessert CRIOAC erheblich das Management und die Gesamtergebnisse bei komplexen BJI-Fällen und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit in diesem wichtigen Bereich [5].
Zentraler Bestandteil des CRIOAC-Ansatzes sind die interdisziplinären Teambesprechungen (MTM). Jedes CRIOAC veranstaltet eine MTM, bei der sich Infektionsspezialisten, Orthopäden, Mikrobiologen, Radiologen, Krankenhausapotheker und medizinisches Sekretariatspersonal zusammenfinden. Diese Treffen finden wöchentlich statt und besprechen jährlich etwa 800 bis 1.000 Fälle, was etwa 15-20 Fällen pro Woche entspricht [7]. Während dieser Besprechungen wird ein breites Spektrum von BJI-Pathologien einschließlich Infektionen von Prothesen und Implantaten, komplexer Traumafälle mit Knochenheilungsstörungen, septischer Arthritis, Osteomyelitis sowie Wirbelsäuleninfektionen ausführlich vorgestellt und unter den anwesenden Experten diskutiert [8]. Das Hauptziel besteht darin, die für jeden Patienten am besten geeigneten und effektivsten Therapieentscheidungen zu treffen [2], [9].
Frühere Studien haben gezeigt, dass die MTM-CRIOAC die Behandlungsergebnisse der Patienten verbessert haben [5], [7]. Darüber hinaus haben Le Nail und Samargandi in einer früheren Studie zu Tumorboards festgestellt, dass solche Besprechungen ein enormes Potenzial an wertvollen Lerngelegenheiten für orthopädische Assistenzärzte besitzen, indem sie aktiv in komplexe Fälle und Experten auf diesem Gebiet eingebunden werden. Durch die Teilnahme an Fallbesprechungen gewinnen die Assistenzärzte einzigartige Einblicke und Wissen, was ihre Ausbildung und Weiterbildung erheblich bereichern kann [10]. Trotz der offensichtlichen Vorteile, die bei Tumorboards beobachtet wurden, hat die Literatur bislang noch nicht die potenziellen pädagogischen Vorzüge untersucht, die MTM-CRIOAC den Assistenzärzten bieten könnten. Daher zielt unsere Studie darauf ab, die Wirksamkeit der Lehre während der MTMs zu bewerten und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren.
Materialien und Methoden
Diese umfragebasierte Studie bewertet die Einschätzung des didaktischen Potenzials einer CRIOAC-MTM unter orthopädischen Assistenzärzten, die sich derzeit in ihrem orthopädischen Ausbildungsprogramm befinden oder ihre Ausbildung im Universitätsklinikum zwischen 2014 und 2023 abgeschlossen haben. Vor dem Ausfüllen und Einreichen der Umfrage wurde von allen 32 Teilnehmern eine Einwilligungserklärung eingeholt. Die Umfrage wurde nicht an Assistenzärzte versandt, die hauptsächlich an externen Rotationen in anderen Zentren teilnahmen, da sie von der Studie ausgeschlossen wurden.
Für den Fragebogen, der durch frühere Forschungsarbeiten validiert und entsprechend modifiziert wurde, bauten wir auf unseren Erfahrungen aus einer früheren Studie auf, die in ähnlicher Weise durchgeführt wurde, um das didaktische Potenzial interdisziplinärer Tumorboard-Besprechungen für orthopädische Assistenzärzte zu bewerten. Die Ergebnisse waren positiv und zeigten vielversprechende Vorteile, die die Assistenzärzte aus solchen Besprechungen zogen, was uns dazu veranlasste, die aktuelle Studie durchzuführen [10]. Zur Überprüfung der Plausibilitiät wurde eine Gruppe von drei Experten mit erheblicher Expertise in der medizinischen Ausbildung einberufen. Diese Experten erhielten Zugang zum Fragebogen und wurden gebeten, dessen Inhalt, Struktur und Sprache zu bewerten, um sicherzustellen, dass die Punkte eindeutig, relevant und leicht verständlich für die vorgesehenen Teilnehmer waren. Das Feedback und die Vorschläge wurden in die endgültige Version des Fragebogens integriert, die die Plausibilität bestätigte.
Der Fragebogen wurde allen orthopädischen Assistenzärzten per E-Mail zugestellt, die einen Internetlink zu einem Online-Formular (Google Docs, Google Inc., Mountain View, Kalifornien, USA) enthielt. Einige Assistenzärzte, die ihre orthopädische Ausbildung während des Studienzeitraums abgeschlossen und das Zentrum verlassen hatten, wurden als Senior-Gruppe betrachtet. Die Umfrage konzentrierte sich ausschließlich auf verschiedene Aspekte der MTM und bezog keine anderen zugehörigen Elemente wie die Ambulanz für osteoartikuläre Infektionen, Operationen, Visiten oder den wöchentlichen Unterricht ein. Der Fragebogen umfasste sowohl allgemeine als auch spezifische Fragen, und die Teilnehmer gaben ihre Meinungen anhand einer Likert-Skala sowie in Freitextabschnitten zu einigen Fragen ab. Alle gesammelten Daten wurden anonymisiert, und die Ergebnisse wurden zur Analyse in einer Excel-Tabelle (Microsoft Corporation, Richmond, Virginia, USA) zusammengeführt. Für die statistische Analyse wurden Median und Spannweite für kontinuierliche Variablen verwendet, während Anzahl und Prozentsatz (%) für kategoriale Variablen herangezogen wurden. Umfragen mit unvollständigen Daten wurden von der Analyse ausgeschlossen.
Ergebnisse
Das durchschnittliche Ausbildungsjahr der Assistenzärzte lag im 4. Jahr, wobei die Spannweite vom 1. bis zum 5. Jahr reichte, einschließlich Teilnehmern nach Abschluss ihrer Facharztausbildung. Von den insgesamt 32 Teilnehmern waren 8 weiblich (25%) und 24 männlich (75%). Die Verteilung der Assistenzärzte basierend auf ihrem Fortschritt im Ausbildungsprogramm ist in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt.
Abbildung 1: Demografische Daten der Teilnehmer
In Bezug auf die Einschätzung der MTM durch die orthopädischen Assistenzärzte wurden diese gebeten, aus insgesamt zehn Optionen diejenigen auszuwählen, die ihre Wahrnehmung bezüglich der MTM am genauesten widerspiegelten. Zu den Punkten gehörten: belastend, herausfordernd, schwierig, routinemäßig, nutzlos für meine Ausbildung, nützlich für meine Ausbildung, interessant, spannend, Ort des Lernens und gutes Arbeitsumfeld. Der am häufigsten gewählte Punkt war „nützlich für meine Ausbildung“, das von 25 Assistenzärzten (75%) ausgewählt wurde, wie in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt. Auf die Frage „Ist die MTM ein geeigneter Ort für die Lehre?“ äußerten 23 Assistenzärzte (71%) eine positive Meinung, wie in Abbildung 3 [Abb. 3] dargestellt.
Abbildung 2: Wahrnehmung des CRIOAC-MTM durch Orthopädie-Assistenzärzte
Abbildung 3: Bewertung der Wahrnehmung des CRIOAC-MTM als geeigneten Ort für die Lehre
Bezüglich des erworbenen Wissens wurden die Assistenzärzte zunächst gefragt, ob die CRIOAC-MTM ihnen geholfen habe, Fähigkeiten oder Wissen zu erwerben, die für ihre tägliche Praxis nützlich sind. Die Ergebnisse zeigten eine überwältigend positive Resonanz, wobei 84% (27/32) zustimmten, während keine negativen Antworten vorlagen. Zweitens wurden sie gefragt, ob sie der Meinung sind, dass sie dank der CRIOAC-MTM Wissen über osteoartikuläre Infektionen erworben haben, was ebenfalls 84% (27/32) positiv beantworteten. Anschließend wurden den orthopädischen Assistenzärzten sieben Punkte präsentiert, von denen sie alle auswählen sollten, die sie als vorteilhaft empfanden. Die Antworten wurden zusammengefasst und jeder Punkt basierend auf der Anzahl der ausgewählten Antworten bewertet. Unter den vollständig ausgefüllten Antworten erhielt „Kenntnisse über die von CRIOAC behandelte Pathologie (komplexe osteoartikuläre Infektionen): Diagnose und Therapie“ mit 78% (25/32) die höchste Bewertung wie in Abbildung 4 [Abb. 4] dargestellt. Auf die Frage nach dem Einfluss der MTM auf ihr Wissen über die verschiedenen beteiligten Fachgebiete antworteten 84% (27/32) der Befragten positiv. Darüber hinaus äußerten die meisten, 78% (25/32) der orthopädischen Assistenzärzte, dass ihre Teilnahme an der MTM es ihnen in ihrer zukünftigen Praxis erleichtern würde, bei Bedarf auf Fallpräsentationen zu osteoartikulären Infektionen zuzugreifen.
Abbildung 4: Veranschaulicht Bereiche, in denen das CRIOAC-MTM den Teilnehmern am meisten geholfen hat, und hebt wichtige Wissens- und Kompetenzentwicklungsbereiche hervor
Hinsichtlich der von den orthopädischen Assistenzärzten vorgeschlagenen Verbesserungsmöglichkeiten waren 75% (24/32) der Meinung, dass es Potenzial zur Verbesserung des Unterrichts während der MTM gibt. Die Assistenzärzte lieferten wertvolle und detaillierte Vorschläge, um den Unterricht während der CRIOAC-MTM zu verbessern. Sie betonten, dass sie aktiver in den Lernprozess einbezogen werden sollten, und schlugen vor, Fragen wie „Was halten Sie von der Situation?“ und „Was wäre Ihre vorgeschlagene Therapie?“ entsprechend ihrem Erfahrungsstand zu stellen. Dieser Ansatz soll sicherstellen, dass sie sich nicht überfordert und „gedemütigt“ vor anderen Fachgebieten fühlen. Wie ein Assistenzarzt es ausdrückte: „Fragen, die auf das Niveau des Assistenzarztes abgestimmt sind, würden es ihm angenehmer machen, sich zu beteiligen.“
In Bezug auf Empfehlungen antworteten die meisten orthopädischen Assistenzärzte (94%, 30/32) positiv auf die Frage: „Würden Sie im Rahmen der Ausbildung von orthopädischen Assistenzärzten Ihren Kollegen empfehlen, regelmäßig an der CRIOAC-MTM teilzunehmen?“, wie in Abbildung 5 [Abb. 5] dargestellt.
Abbildung 5: Empfehlung für Orthopädie-Assistenzärzte, das CRIOAC-MTM zu besuchen
Die Assistenzärzte empfahlen auch, zusätzliche Kurse in das Curriculum zu integrieren. Sie waren der Meinung, dass frühe Semesterkurse, die sich auf klinische Szenarien und den Einsatz von Antibiotika konzentrieren, für eine solide Grundlage unerlässlich sind. Dazu ein Assistenzarzt: „Wenn wir das Semester mit diesen Kursen beginnen, können wir komplexe Situationen besser verstehen.“ In Verbindung mit einer Vielzahl von Lernressourcen, einschließlich Kursen über Antibiotikaresistenz, Antibiotikaspektren und Pathogene, könnten diese dazu beitragen, dass Assistenzärzte ein besseres Verständnis und mehr Vertrauen in ihre Entscheidungen zu diesem Thema entwickeln. Sie empfahlen auch die Nutzung einer Website für ergänzende Informationen sowie die Erstellung von erklärenden Entscheidungshilfen zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. Die Assistenzärzte forderten mehr Erklärungen zu bildgebenden Verfahren und zur Begründung der Antibiotikaauswahl, da sie der Meinung waren, dies würde ihr Verständnis der Patientenversorgung verbessern. Ein Assistenzarzt kommentierte: „Es ist wichtig zu erklären, warum wir bestimmte Antibiotika wählen und wie die Bildgebung dazu passt.“
Die Assistenzärzte hoben die Bedeutung hervor, nach jedem Fall ausreichend Zeit einzuräumen, um das Problem des Patienten umfassend zusammenzufassen, und betonten dabei die Bedeutung der chirurgischen Behandlungsmodalitäten. Sie waren der Meinung, dass dies eine ganzheitliche Sicht auf die Patientenversorgung bieten würde. Einige Assistenzärzte fanden es interessant, Behandlungspläne und Antibiotika vorzuschlagen, bevor das offizielle CRIOAC-Management vorgestellt wird. Wenn neue Empfehlungen ausgesprochen werden, schlugen die Assistenzärzte vor, Artikel als Orientierungshilfe bereitzustellen, damit sie die Empfehlungen auf strukturierte Weise studieren können.
Diskussion
In der medizinischen Ausbildung kann die Bedeutung der Förderung von Zusammenarbeit und Wissensaustausch zwischen verschiedenen Fachgebieten nicht genug betont werden [11]. Die multidisziplinären Besprechungen zu osteoartikulären Infektionen dienen als wertvolle Plattformen für die Lehre und bieten eine Vielzahl von Vorteilen für Assistenzärzte, die ihr Wissen erweitern und ihre Perspektiven erweitern möchten. Die Ergebnisse unserer Studie beleuchten die Wahrnehmung der CRIOAC-MTMs durch die orthopädischen Assistenzärzte. Die Mehrheit der Teilnehmer betrachtete die MTMs als nützlich, interessant und als förderliches Arbeitsumfeld.
Diese Wahrnehmung offenbart spannende und potenziell transformative Einsichten. Es ist wichtig anzuerkennen, dass MTMs nicht explizit für Lehrzwecke konzipiert wurden [5]. Doch unsere Forschung hat ihr pädagogisches Potenzial aufgezeigt. Trotz des Fehlens bestehender Evidenz in der medizinischen Literatur zu diesem Thema bieten unsere Ergebnisse, die aus einer einzigen MTM gezogen wurden, einen überzeugenden Einblick in die Lernmöglichkeiten, die sie bietet. Diese faszinierenden Ergebnisse veranlassen uns, die Rolle von MTMs als Plattform für Lehre und Lernen weiter zu erforschen.
Dies knüpft an die oben erwähnte ähnliche Studie an, die die gleichen Fragen im Kontext von multidisziplinären Tumorboard-Besprechungen behandelt. Im Vergleich zwischen den Besprechungen des Muskuloskelettalen Tumorboards (MTBM) und den CRIOAC-MTMs zeigen sich unterschiedliche, aber komplementäre Ansätze zur Verbesserung der medizinischen Ausbildung durch interdisziplinäre Zusammenarbeit. Der Schwerpunkt des MTBM-Programms liegt auf der orthopädischen Onkologie und bietet den Assistenzärzten Einblicke in ein breites Spektrum von Fachgebieten wie Radiologie, Onkologie und Pathologie. Klinische Fähigkeiten werden durch diese Einblicke verbessert, Überweisungsentscheidungen verfeinert, und die interdisziplinäre Teamarbeit wird gefördert. Auf der anderen Seite konzentrieren sich die CRIOAC-MTMs ausschließlich auf osteoartikuläre Infektionen und entwickeln das Wissen über Antibiotika, bildgebende Verfahren und chirurgische Eingriffe weiter, die speziell auf komplexe Knochen- und Gelenkinfektionen ausgerichtet sind. Durch diese vergleichenden Einsichten heben wir die Vielfalt der Bildungsangebote hervor, die multidisziplinäre Besprechungen für eine Vielzahl von medizinischen Fachgebieten bieten, wodurch wir medizinische Ausbildungsmethoden präzisieren und die interdisziplinäre Zusammenarbeit erleichtern können, was zu einer umfassenden klinischen Praxis beiträgt.
Orthopädische Assistenzärzte, die an MTMs teilnehmen, haben die Möglichkeit, sich mit authentischen Fällen auseinanderzusetzen und ihre klinischen Denk- und Entscheidungsfähigkeiten zu verbessern. Die Auseinandersetzung mit einer Vielzahl komplexer Fälle fördert ein Umfeld, das tiefgreifendes Lernen und Problemlösung begünstigt.
Der positive Einfluss erstreckte sich über die orthopädischen Fachgebiete hinaus, da die Assistenzärzte den Wert erkannten, ihr Verständnis für die verschiedenen medizinischen Fachgebiete, die an der Behandlung komplexer osteoartikulärer Infektionen beteiligt sind, zu vertiefen. Dieser interdisziplinäre Aspekt verbessert den ganzheitlichen Ansatz der Assistenzärzte in der Patientenversorgung. Fallbasierte Diskussionen beispielsweise helfen den Assistenzärzten, theoretische Rahmenwerke aktiv auf komplexe klinische Szenarien anzuwenden und ihre Problemlösungs- und Diagnosefähigkeiten zu verfeinern [11], [12]. Die Einbindung der kollektiven Expertise verschiedener Fachgebiete bietet einen reichen Kontext für Entscheidungsprozesse, der es den Assistenzärzten ermöglicht, fundierte Entscheidungen auf der Grundlage solider klinischer Urteile zu treffen. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen mehreren Fachgebieten bietet verschiedene medizinische Perspektiven, um das Verständnis der Assistenzärzte für osteoartikuläre Infektionen zu vertiefen. Die Assistenzärzte entwickeln effektive Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten, die für eine nahtlose Integration in interprofessionelle Gesundheitsteams unerlässlich sind. Durch ihre Teilnahme an den MTMs erwerben die orthopädischen Assistenzärzte nicht nur medizinisches Wissen, sondern verfeinern auch ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten und ihre Professionalität durch effektive Kommunikation, aktive Beteiligung und Respekt vor der Expertise anderer Fachgebiete [13].
Darüber hinaus bieten MTMs eine einzigartige Gelegenheit, die Bedeutung von gegenseitigem Respekt zwischen den verschiedenen medizinischen Fachgebieten zu lehren und zu stärken. Die kooperative Natur dieser Besprechungen fördert ein Umfeld, in dem alle Teilnehmer, unabhängig von ihrem Hintergrund, einen bedeutungsvollen Beitrag zu den Patientendiskussionen leisten können. Dies verbessert nicht nur das Lernerlebnis, sondern stärkt auch die Prinzipien der interdisziplinären Teamarbeit und Zusammenarbeit [14].
Das Feedback der Assistenzärzte betont die Bedeutung einer ansprechenden Unterrichtsmethodik, die die Assistenzärzte effektiv einbindet. Dazu gehört die Bereitstellung von multifunktionalen Lernressourcen und die Förderung klarer Kommunikation und didaktischer Interaktionen. Ihre Einsichten heben die Notwendigkeit hervor, die Assistenzärzte aktiv einzubinden, indem Fragen auf ihr Erfahrungsniveau abgestimmt werden, um ein unterstützendes Lernumfeld zu schaffen, sowie frühsemesterliche Kurse zu integrieren, um eine solide Grundlage zu schaffen. Darüber hinaus betonen die Assistenzärzte die Bedeutung vielfältiger Lernressourcen, einschließlich Vorlesungen über Antibiotika, häufige Nebenwirkungen und Entscheidungsalgorithmen wie erklärende Entscheidungsbäume für die Behandlung komplexer BJIs. Sie plädieren für einen stärkeren Fokus auf Bildgebung und Antibiotikawahl sowie auf die chirurgische Behandlung. Insgesamt zielen ihre Empfehlungen darauf ab, die CRIOAC-MTMs zu einem ansprechenderen und umfassenderen Lernerlebnis zu machen.
Es ist auch wichtig, die Einschränkungen unserer Studie zu erkennen. Die Überprüfung wurde retrospektiv durchgeführt, wobei Änderungen in den Umfrageantwortzeiten und die Dauer der Rotationen der Assistenzärzte berücksichtigt wurden. Die Umfrage selbst wies Schwächen auf, wie eine übermäßige Abhängigkeit von geschlossenen Fragen und lediglich eine Überprüfung der Plausibiltät, obwohl sie bereits veröffentlicht wurde. Darüber hinaus wurde keine objektive Bewertung der orthopädischen Assistenzärzte durchgeführt.
Dennoch sind diese Einschränkungen angesichts des primären Ziels der Studie, das darin bestand, die Eindrücke der Assistenzärzte über Lernmöglichkeiten während der MTM zu fokussieren (ein bisher unerforschtes Thema), tolerierbar.
Schlussfolgerung
Unsere Studie bietet einen Einblick in das facettenreiche Potenzial von MTMs in der medizinischen Ausbildung, das über ihre primäre Funktion in der Patientenversorgung hinausgeht. Diese Besprechungen bieten eine Grundlage für die Lehre, indem sie das klinische Urteilsvermögen, die Professionalität und die kooperativen Fähigkeiten der orthopädischen Assistenzärzte ausbauen. Die interprofessionelle Natur der MTMs ermöglicht fallbasierte Diskussionen, die disziplinäre Grenzen überschreiten und einen ganzheitlichen Ansatz in der Patientenversorgung fördern. Während weitere Forschung erforderlich ist, um die pädagogischen Vorteile von MTMs vollständig zu erforschen, unterstreichen unsere Ergebnisse die beeindruckenden Möglichkeiten, die sie für die Verbesserung der medizinischen Ausbildung und die Förderung einer kooperativen Gesundheitsversorgung bieten.
Anmerkungen
Ethikkommission
Die Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt und von der Ethikkommission genehmigt (Projektnummer 2023 050).
Einverständniserklärung
Eine informierte Einwilligung wurde von allen Teilnehmern der Studie eingeholt.
Autorenbeiträge
RS, OA: Studiendesign und Konzeptualisierung, Verfassen und Überarbeitung des Manuskripts. JB, LRLN, ML: Datenerhebung und -aufbereitung, Überprüfung und Bearbeitung des Manuskripts. Alle Autoren haben die endgültige Version des Manuskripts gelesen und genehmigt.
ORCIDs der Autor*innen
- Ramy Samargandi: [0000-0001-5912-9667]
- Osamah Abualross: [0009-0000-2750-9876]
- Marion Lacasse: [0000-0001-7372-6361]
- Louis-Romée Le Nail: [0000-0003-1642-4935]
- Julien Berhouet: [0000-0001-6718-261X]
Danksagung
Die Autoren danken den orthopädischen Assistenzärzten, die an der Studie teilgenommen haben. Die Autoren sprechen Susanne Junghans auch ihren aufrichtigen Dank für ihre unschätzbare Unterstützung beim Korrekturlesen der deutschen Sprache aus.
Interessenkonflikt
Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
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