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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017_N


Dies ist die deutsche Version des Artikels. Die englische Version finden Sie hier.
Artikel
Lehrmethoden

[Pilotimplementierung eines Sonografie-Simulators in die gynäkologische ärztliche Fort- und Weiterbildung: Ein Praxisbericht]

 Anne Röhle 1
Marie-Christin Willemer 1
Cahir Birdir 2
Katharina Nitzsche 2

1 Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Institut für Didaktik und Lehrforschung in der Medizin, Medizinisches Interprofessionelles Trainingszentrum (MITZ), Dresden, Deutschland
2 Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dresden, Deutschland

Zusammenfassung

Zielsetzung: Das Erlernen der Sonografie erfordert neben dem Einverständnis der Patient*innen erhebliche zeitliche und personelle Kapazitäten. Um patientenentlastende und ressourcenschonende Ultraschalllehre zu realisieren, wurde im Medizinischen Interprofessionellen Trainingszentrum (MITZ) der medizinischen Fakultät der TU Dresden ein umfassend ausgestatteter Sonografiesimulator (SoSim) angeschafft. In einem ersten Schritt wurde in Kooperation mit der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Dresden (GYN) in einer Stichprobe (n=5) das SoSim-Training erprobt. Basierend auf den Ergebnissen wird die Ausweitung des Projekts auf die Hochschulmedizin Dresden angestrebt.

Projektbeschreibung: Nach Schaffung der notwendigen strukturell und organisatorische Bedingungen trainierten fünf Berufseinsteigerinnen der GYN zwei definierte Module im SoSim zum transvaginalen und abdominalen Ultraschall. Die Auswertung erfolgte durch onlinebasierte Evaluation der Teilnehmenden und Prozessanalyse.

Ergebnisse: Die Prozessanalyse zeigte, dass es einer engen Begleitung der Lernenden bedarf und eine individuelle Terminbuchung zeitintensiv ist. In der Evaluation der Teilnehmenden zeigte sich bei 11 von 14 kompetenzorientierten Fragen eine positive Mittelwertveränderung der Zustimmungswerte.

Schlussfolgerung: Trotz integriertem SoSim-Lernprogramm ist eine Begleitung der Lernenden notwendig. Die Hochschulmedizin Dresden ist mit der Pilotierung des Einsatzes des SoSim zum Erlernen des transvaginalen Schalls im Rahmen der gynäkologischen Facharztausbildung Wegbereiter für innovative und patientenschonende Lehre. Mit der Pilotierung wurden Grundlagen für die Ausweitung des Projekts in andere Bereiche geschaffen.


Schlüsselwörter

Fortbildung, Sonografie, Simulator, Feedback, E-Learning, medizinische Ausbildung, medizinisches Training, Skills Lab

1. Hintergrund

Die Sonografie ist in der Vorsorge-, Routine-, Notfall- und Verlaufsdiagnostik fest integriert. Daher ist eine standardisierte und strukturierte Ausbildung aller Mediziner*innen bei gleichzeitiger Schonung personeller, räumlicher und finanzieller Ressourcen unabdingbar [1].

Im Medizinischen Interprofessionellen Trainingszentrum (MITZ) der Medizinischen Fakultät der TU Dresden (MFD) trainieren Studierende der Medizin, Zahnmedizin und Hebammenkunde praktische Basisfertigkeiten und kommunikative Kompetenzen. Darüber hinaus bietet das MITZ Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung.

Seit 2015 wurde die Ultraschalllehre im MITZ sukzessive implementiert, erweitert und professionalisiert. Im Zuge der Zusammenarbeit mit der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsklinikums Dresden (GYN) bezüglich des Studiengangs Hebammenkunde wurden Schnittpunkte in Bezug auf Bemühungen um eine ressourcenschonende und bedürfnisorientierte Lehre sowie eine Bündelung von didaktischen Kompetenzen deutlich. Insbesondere zeigten sich in beiden Bereichen Limitationen in der aktuellen Sonografieausbildung auf Grund begrenzter räumlicher und personeller Kapazitäten sowie der Notwendigkeit patientenschonender Lehre.

2022 konnte das MITZ mit Unterstützung der MFD einen umfassend ausgestatteten Sonografiesimulator (SoSim) erwerben: den SCANTRAINER 7A der Firma Skills Med Deutschland. In der Pilotphase wurde der SoSim in einer Kooperation mit der GYN getestet. Unter fachlicher und didaktischer Begleitung der Autor*innen haben fünf Berufseinsteigerinnen der GYN über einen Zeitraum von fünf Monaten zwei definierte Module am SoSim trainiert und wurden nach dem Training zu ihren subjektiven Einschätzungen befragt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Ziel war es, anhand der Pilotierung positive Effekte hinsichtlich des Kompetenzgewinns zu erkennen und räumliche und organisatorische Grundlagen für eine nachhaltige und umfassende Nutzung des SoSim für die gesamte Hochschulmedizin Dresden zu schaffen.

Abbildung 1: Zeitliche und inhaltliche Aspekte des Projekts mit notwendigen strukturell-organisatorischen Bedingungen und Anpassungen zur praktischen Durchführung

2. Projektbeschreibung

Initial erfolgte die Einarbeitung der Autor*innen in den SoSim sowie die Schaffung von notwendigen strukturell-organisatorischen Bedingungen, um den Lernfortschritt der Nutzerinnen adäquat zu begleiten (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]).

Im Rahmen der Pilotierung trainierten alle zu dem Zeitpunkt in der GYN neu eigestellten Berufseinsteigerinnen zu festgelegten und individuell vereinbarten Trainingszeiten den transvaginalen und transabdominalen Ultraschall im SoSim. Im Verlauf wurden zwei spezifische zu absolvierende Lernmodule definiert (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Alle Module enthalten ein strukturiertes Lernprogramm mit text- und videogestützten Lernhilfen, einer automatischen Fehlerkorrektur sowie einem audiovisuellen Feedback. Die Begleitung der fünf Lernenden erfolgte mittels cloudbasierter Auswertung der Lernergebnisse sowie begleitender Selbsteinschätzung zu einem Messzeitpunkt via onlinebasierter Evaluation mit Hilfe der Software EvaSys [https://www.electricpaper.de/]. Die Erhebung umfasste Fragen zur Demographie, bisherige Erfahrungen, Haltung, Selbsteinschätzung der Kompetenzen vor und nach dem Training am Simulator, Fragen zur allgemeinen Nutzung des Simulators sowie Transfer des Gelernten in die Klinik. Die 14 Kompetenzfragen waren in fachliche (Einhaltung von Hygiene, Sondenhandhabung, Orientierung im B-Bild, Fachtermini, Einstellung Standardschnitte, Differenzierung zwischen Normal- und pathologischem Befund), soziale (Lagerung, Kommunikation) und persönlichen Aspekte (eigene Grenzen, Stresserleben) gegliedert. Die Beantwortung erfolgte mittels fünfstufiger Likert-Skala von „trifft zu“ bis „trifft nicht zu“ (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Abbildung 2: Mittelwert-Veränderung der Zustimmungswerte zu Items bzgl. Kompetenz vor/nach dem SoSim-Training
0=trifft zu, 4=trifft nicht zu

Die Prozesse der Pilotierung wurden zirkulär durch die Autor*innen mittels explorativer Erhebung der Perspektiven der beteiligten Autor*innen und Mitarbeitenden im MITZ in Einzelgesprächen analysiert und reflektiert. Hierfür wurden Beobachtungsprotokolle und Textdokumente in den Kategorien organisatorisch-räumlich, didaktisch-inhaltlich, strukturell-personell ausgewertet.

3. Ergebnisse

Die Prozessanalyse bestätigte Forschungsergebnisse des selbstgesteuerten Lernens dahingehend, dass Lernende trotz verfügbarem, umfassendem und transparentem Lernangebot mit integriertem Lernmanagement- und Feedbackprogramm eine Lernassistenz hinsichtlich der Reflexion des eigenen Lernprozesses benötigen [2]. Im Rahmen der Pilotierung wurde dies durch eine Vorauswahl und Steuerung der Reihenfolge der zu bearbeitenden Lernmodule mit zusätzlichen Feedback durch die betreuende Oberärztin realisiert, um eine zeitnahe klinische Anwendbarkeit zu ermöglichen.

Weiterhin zeigte sich für die individuelle Terminabstimmung der größte administrative Aufwand für alle Beteiligten.

Die Rücklaufquote zur Evaluation der SoSim-Nutzung betrug 100%. Die Ergebnisse zu den Kompetenzfragen in der Evaluation der fünf Berufseinsteigerinnen der GYN sind in Abbildung 2 [Abb. 2] dargestellt. Die Zustimmungswerte zu den Items erhöhten sich bei 11 von 14 Fragen im Vergleich vor/nach dem Training, bei drei Fragen blieben die Werte identisch.

4. Diskussion

Die Ergebnisse beeinflussen die weitere Organisation struktureller Rahmenbedingungen, den Transfer des Projekts in andere Bereiche sowie die didaktische Begleitung und zu etablierende Lehrforschung.

Strukturell

Das Training am SoSim als Bestandteil des Ausbildungskonzepts sollte für eine akzeptable Nutzung von Lernenden in die ärztliche Arbeitszeit und in bestehende Curricula und Weiterbildungsprogramme integriert werden [3]. Entsprechende Ressourcen sollten durch die Fachbereiche bereitgestellt werden. Neben Standards zur Einweisung und Trainingsvorgaben ist der Transfer des Gelernten an Patient*innen zu gewährleisten.

Zur Reduktion des Organisationsaufwandes wurde eine individuelle Terminbuchung für Nutzer*innen mittels automatisierten Prozessen und digitaler Buchungstools etabliert.

Transfer

Auf Grund der positiven Änderungen der Zustimmungswerte in der Evaluation der SoSim-Nutzung wird diese demnächst ärztlichem Personal in Weiterbildung der Fachgebiete Innere Medizin und Anästhesie ermöglicht. Die zu bearbeitenden Lernmodule werden nach Lernbedarf und klinischer Anwendbarkeit festgelegt. Der SoSim wird sukzessive in die studentische Ausbildung integriert und mittels Lehrforschung begleitet.

Didaktische Begleitung

Trotz integriertem SoSim-Lernprogramm bedarf es einer Lernassistenz zur Vorauswahl und Steuerung der zu bearbeitenden Lernmodule. Die Ergebnisse der einmaligen Evaluation deuten auf einen subjektiven Lernzuwachs hin. Für Signifikanzprüfungen und eindeutige Wirkzusammenhänge wird eine größere Stichprobe mit einem Prä-Post-Design angestrebt.

5. Ausblick

Der Transfer in weitere Aus- und Weiterbildungsbereiche sowie die schrittweise Implementierung des SoSim-Trainings für studentische Tutor*innen und Studierende ist im Rahmen einer Studie in Planung.

ORCIDs der Autor*innen

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

[1] Dietrich CF, Lucius C, Nielsen MB, Burmester E, Westerway SC, Chu CY, Condous G, Cui XW, Dong Y, Harrison G, Koch J, Kraus B, Nolsøe CP, Nayahangan LJ, Pedersen MRV, Saftoiu A, Savitsky E, Blaivas M. The ultrasound use of simulators, current view, and perspectives: Requirements and technical aspects (WFUMB state of the art paper). Endosc Ultrasound. 2023;12(1):38-49. DOI: 10.4103/EUS-D-22-00197
[2] Dyrna J, Riedel J, Schulze-Achatz S, Köhler T, editors. Selbstgesteuertes Lernen in der beruflichen Weiterbildung: Ein Handbuch für Theorie und Praxis. Münster, New York: Waxmann Verlag; 2021. DOI: 10.31244/9783830993643
[3] Tolsgaard MG. Assessment and learning of ultrasound skills in Obstetrics & Gynecology. Danish Med J. 2018;65(2):B5445.