journal_logo

GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017_N


Dies ist die deutsche Version des Artikels. Die englische Version finden Sie hier.
Artikel
Kompetenzbasierte medizinische Ausbildung

[Pädiatrische Rotation in der medizinischen Ausbildung in der Schweiz: Übereinstimmung von Erwartungen der Studierenden und den Zielen des Kompetenz-basierten Lernzielkataloges PROFILES]

Lya Baumann 1
Beatrice Latal 2
Michelle Seiler 2
 Sabine Kroiss Benninger 2

1 Universität Zürich, Zürich, Schweiz
2 Universitätskinderspital Zürich, Eleonorenstiftung, Zürich, Schweiz

Zusammenfassung

Ziel: Der Kompetenzbasierte Lernzielkatalog „Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland“ (PROFILES) beruhend auf sogenannten Entrustable Professional Activities (EPAs=anvertraute professionelle Aktivitäten) wurde 2018 in der Schweiz neu in die medizinische Ausbildung eingeführt. Klinische Rotationen innerhalb des Curriculums bieten den Studierenden die Gelegenheit klinische Fertigkeiten und Kompetenzen zu trainieren. Diese Studie hat zum Ziel herauszufinden, welche Erfahrungen der Studierenden während einer Rotation in der Pädiatrie machen und ob sie die erwarteten Kompetenz-Niveaus bestimmter EPAs am Ende Ihrer Ausbildung erreichen.

Methoden: Es wurde eine elektronische Umfrage unter allen 316 Studierenden ihres letzten Jahres des Medizinstudiums (3. Jahr Masterstudium) der Universität Zürich durchgeführt. Insgesamt wurden 113 Studierende, die eine pädiatrische Rotation in verschiedenen Krankenhäusern abgeschlossen hatten, zu ihren allgemeinen Erwartungen und Erfahrungen befragt, und gebeten Ihr Abschneiden hinsichtlich Kompetenzniveau in 26 ausgewählten EPAs einzuschätzen. Eine EPA wurde als erfüllt beurteilt, wenn mindestens 2/3 aller Studierenden mindestens Level 3 erreicht hatten.

Results: Die pädiatrische Rotation wurde von den meisten Studierenden insgesamt als positive Erfahrung betrachtet. Jedoch wurde der Wunsch nach mehr Integration in die klinischen Teams, mehr Training von klinischen Fertigkeiten und mehr Feedback ausgedrückt. Das erwartete Kompetenzlevel 3 (indirekte Supervision) wurde für 14 von 26 EPAs von mindestens 2/3 der Studierenden erreicht. Level 3 wurde jedoch nicht für spezifischere EPAs erreicht, wie Neugeborenenuntersuchung, Einschätzung der psychomotorischen und Pubertäts-Entwicklung, und klinisches Denken.

Schlussfolgerung: Pädiatrie-Rotationen werden als wertvolle klinische Lern- und Übungs-Gelegenheiten eingeschätzt. Um das Lernen von Kompetenzen zu verstärken, ist die Einbindung in das klinische Team und Training des Lehrkörpers entscheidend. Die Implementierung der EPAs im klinischen Kontext entspricht dieser Zielsetzung.


Schlüsselwörter

medizinische Ausbildung, Entrustable Professional Activities, pädiatrisches klinisches Praktikum, Wahlstudienjahr, Pädiatrie-Rotation, Lehre im klinischen Umfeld, kompetenzbasierte Ausbildung

1. Einführung

In der Schweiz haben alle medizinischen Fakultäten klinische Praktika in das zweite oder dritte Jahr des Masterprogrammes integriert. Diese klinischen Praktika bieten einmalige Gelegenheiten, um spezifische klinische Fertigkeiten und Kompetenzen zu trainieren, Einblick in verschiedene Fachbereiche zu bekommen, und die Studierenden auf den klinischen Alltag vorzubereiten. Die Schweizerische Medizinische Interfakultätskommission (SMIFK/CIMS) hat den kürzlich erarbeiteten Kompetenz-basierten Lernzielkatalog Principal Relevant Objectives and Framework for Integrative Learning and Education in Switzerland“ (PROFILES) eingeführt [1]. Seit 2018 gilt dieser Katalog als Rahmen für die Curricula aller nationalen medizinischen Fakultäten und wurde erstmals 2021 als Basis für das eidgenössische Staatsexamen benutzt [2]. Er führt erstmals sogenannte “Entrustable Professional Activities” (EPAs=anvertraute professionelle Aktivitäten) in die medizinische Ausbildung ein, wobei 9 Kern-EPAs spezifiziert werden mit 161 untergeordneten spezifischen Aufgaben als Kompetenz-basierte Lernziele (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Tabelle 1: Kern-EPAs definiert im PROFILES

EPAs repräsentieren Einheiten von professionellen Tätigkeiten, die den Studierenden anvertraut werden können, sobald sie die ausreichende Kompetenz erworben haben [3], [4]. Jede EPA umfasst verschiedene Kompetenzen und Fertigkeiten und kann am Arbeitsplatz überprüft werden, womit eine holistische Evaluation der studentischen Gesamtleistung ermöglicht wird [5]. Der Fortschritt eines/einer Studierenden wird hier durch den Grad an Supervision beschrieben, der nötig ist, um eine spezifische EPA durchzuführen, beginnend mit Level 1 „nur erlaubt zu beobachten“, weiterführend bis zu Level 5 „Supervision kann für andere übernommen werden“ (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]) [6], [7]. Die Einführung von EPAs wird weithin als vorteilhaft gesehen, da sie einen holistischen Ansatz verfolgen, indem sie klinisch relevante Kompetenzen überprüfen, und gleichzeitig die Gelegenheit bieten die Feedback-Kultur während klinischer Praktika zu verbessern [4], [8]. Jedoch wurden weltweit von den medizinischen Fakultäten, die die EPAs in ihre medizinische Ausbildung eingeführt haben, einige Herausforderung festgestellt in Bezug auf die begleitenden Curriculums-änderungen [4]. Diese Herausforderungen beinhalten die Überprüfung einer effektiven Integration in das vorhandene Curriculum bzw. den Ersatz von Teilen des Curriculums, als auch dass der Erfolg der Implementierung von der Bereitschaft und Motivation der medizinischen Ausbilder abhängt, diese EPAs an ihrem Arbeitsplatz zu unterrichten und zu überprüfen [8], [9]. Des Weiteren ist der Umfang der Implementierung von EPAs zwischen den verschiedenen Lehrkrankenhäusern unterschiedlich, was einen einheitlichen Ansatz für die Curriculumsänderung und damit einen durchgängig einheitlichen Standard erschwert [8], [9]. Letztlich müssen die medizinischen Ausbilder eine qualitativ und quantitativ ausreichende Überprüfung von EPAs während der klinischen Praktika sicherstellen, um gut begründete Betrauensentscheide zu treffen, sowie um sicherzustellen, dass ein Weg gefunden wird auch EPAs zu unterrichten, die nur sporadisch im klinischen Arbeitsalltag angetroffen werden [8], [9].

Tabelle 2: Skala des anvertrauten Levels an Supervision zur Beurteilung von EPAs

Der PROFILES Katalog dient als bindendes Dokument für die schweizerischen Universitäten, das voraussetzt, dass alle Studierenden alle 161 EPAs mindestens mit einem Level von 3 „unter indirekter und moderater Supervision“ beherrschen müssen. Um die neuen Standards einzuhalten, die von PROFILES vorgegeben werden, sind Anpassungen des existierenden Curriculums erforderlich. An der Universität Zürich (UZH) sind klinische Kurse, die den Studierenden die Gelegenheit geben, in den klinischen Arbeitsalltag eingeführt zu werden, integraler Bestandteil des Curriculums. Vom dritten Jahr des Bachelor- bis zum dritten und letzten Jahr des Masterstudienganges trainieren Studierende in kleinen Gruppen an verschiedenen Krankenhäusern, um sich die grundlegenden klinischen Fertigkeiten und Wissen in allen Fachbereichen anzueignen. Das zweite Jahr des medizinischen Masterprogrammes ist dem Arbeitsplatz-basierten Training gewidmet in Form von klinischen Praktika. Im sogenannten Wahlstudienjahr (WSJ), verbringen die Studierenden mindestens 9 Monate in klinischen Rotationen unterschiedlicher Dauer, von ein bis drei Monaten, and verschiedenen Lehrkrankenhäusern. Während des WSJ sind die Studierenden ein Teil des klinischen Teams, sie können praktische Erfahrungen sammeln und ihre Fertigkeiten und Kompetenzen unter Supervision verbessern. Es erlaubt auch wertvolle Einsichten in verschiedene medizinischen Gebiete und Fachbereiche, was die zukünftigen Karrierepläne beeinflussen kann [10]. Arbeitsplatz-basierte Prüfungen in Form von standardisierten „Mini-Clinical Skills Examinations“ (Mini-CEX) sind verpflichtend über das gesamte WSJ verteilt für alle Medizinstudierenden in der Schweiz und die Studierenden unterhalten auch ein standardisiertes Logbuch, um ihre Fortschritte zu verfolgen. Nichtsdestotrotz haben diese Überprüfungen bis heute keine direkte Verbindung zum PROFILES Katalog und den EPAs, da keine strukturierte Implementierung von PROFILES in die klinischen Rotationen erfolgte. Daraus kann ein unterschiedlicher Spektrum an Erfahrungen von Studierenden während ihrer klinischen Rotationen resultieren.

Diese Studie hat zum Ziel die Erfahrungen von Studierenden zu untersuchen, die an der UZH während ihrer pädiatrischen klinischen Rotation in verschiedenen Krankenhäusern im Inland, in und ausserhalb von Zürich, sowie im Ausland eingeschrieben waren, und zu überprüfen, inwieweit das aktuell implementierte Curriculum den Anforderungen des neuen PROFILES Kataloges entspricht. Die Studie untersucht die Antwort auf die Frage nach den Erwartungen der Studierenden an ihr pädiatrisches klinisches Praktikum und wie ihre Erfahrungen die Karriereplanung beeinflussen. Zusätzlich soll die Studie die Selbsteinschätzung bezüglich des Erreichens klinischer Fertigkeiten und Kompetenzen während dieser Rotationen erheben und Bereiche identifizieren, die verbessert werden können, einschliesslich möglicher Unterschiede zwischen den Lehrkrankenhäusern. Dieser Vergleich unter den Krankenhäusern wurde durchgeführt, um festzustellen, ob merkliche Unterschiede bestehen in Anbetracht der bindenden Natur des PROFILES Kataloges.

Basierend auf den Ergebnissen der Studie werden wir die gewonnenen Erkenntnisse und deren Implikationen für das laufende Training im WSJ diskutieren, sowie die Implementation des PROFILES Kataloges am Universitäts-Kinderspital Zürich.

2. Material und Methoden

Ein elektronischer Fragebogen wurde an alle Medizinstudierenden des sechsten Jahres verteilt, die an der Universität Zürich in der Schweiz eingeschrieben waren (siehe Anhang 1 [Anh. 1]). Die Umfrage wurde vom 21. Februar 2020 bis zum 17. März 202 durchgeführt, ungefähr sechs Monate nachdem die Studierenden ihre Rotationen im WSJ abgeschlossen hatten. Ein Fragebogen wurde durch eine Studiengruppe entwickelt, bestehend aus den Autorinnen, drei erfahrenen Pädiaterinnen und Ausbilderinnen entsprechend, sowie einer kürzlich graduierte Medizinstudentin. Der Fragebogen zielte darauf die Erfahrungen der Studierenden während ihrer Pädiatrie-Rotationen zu untersuchen und ihre Selbsteinschätzung des erreichten Kompetenzlevels für ausgewählte EPAs am Ende des klinischen Praktikums.

Der erste Teil der Umfrage enthielt Fragen, in denen die Studierenden aufgefordert wurden ihre generelle Zufriedenheit mit der Pädiatrie-Rotation auf einer 5-Punkte Likert Skala anzugeben (1=überhaupt nicht; 5=sehr gut). Des Weiteren wurden sie gefragt, ob sie die pädiatrische Rotation und das Lehrkrankenhaus, bei dem sie eingeteilt waren, weiterempfehlen würden, ob sie eine Weiterbildung in der Pädiatrie anstreben und ob ihre Erfahrungen während des klinischen Praktikums ihre Karriere-Entscheidung beeinflusste. Zudem wurden die Studierenden gebeten ihre Zustimmung zu einer Reihe von Aussagen einzuschätzen in Bezug auf die Alltagstätigkeiten während der Rotation. Diese Aussagen beinhalteten Themen wie die Gelegenheit ihre Kenntnisse anzuwenden und klinische Fertigkeiten zu üben, Lehre und Feedback von Supervisoren, Integration in das klinische Team und ihre Meinung zu Mini-CEX Prüfungen und dem Nutzen eines Logbuches. Die Antworten wurden mit einer 5-Punkte Likert Skala gewertet (1=trifft überhaupt nicht zu; 5=trifft komplett zu). Freie Kommentare waren erlaubt.

Der zweite Teil der Umfrage beinhaltete die Selbsteinschätzung der Studierenden den Kompetenz-Level betreffend, den sie in ausgewählten EPAs erreicht haben. Die Studiengruppe wählte 26 EPAs aus dem PROFILES Katalog, die für den Bereich Pädiatrie als durchführbar und relevant eingeschätzt wurden. Drei dieser EPAs wurden angepasst und gekürzt, da sie Untersuchungen enthielten, die im pädiatrischen Kontext nicht relevant waren, und zwei andere wurden zusammengeführt, da beide orthopädische Untersuchungen enthielten (siehe Anhang 2 [Anh. 2]). Diese Änderungen wurde gemacht, um die EPAs zu klären und Missverständnisse zu verhindern. Das erreichte Kompetenzlevel schätzten die Studierenden selbst ein anhand der Supervisions-Skala des PROFILES Kataloges (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Kompetenzlevel 5 war nicht als Antwortmöglichkeit angegeben, da in der Regel den Medizinstudierenden im klinischen Praktikum nicht dieser Grad an Verantwortung übertragen wird.

Der Fragebogen war in deutscher Sprache verfasst. Er wurde von einer Gruppe von 3 kürzlich graduierten Medizinstudierenden validiert, um die Verständlichkeit für die Teilnehmer zu überprüfen. Dieser wurde durch das Büro des medizinischen Studiendekanats der UZH per email verteilt und wurde zusätzlich während einer Vorlesung beworben. Alle Studierenden, die eine pädiatrische Rotation abgeschlossen hatten wurden eingeschlossen, unabhängig vom Ort des besuchten Lehrkrankenhauses, in Zürich oder auswärts. Studierende, die lediglich Rotationen in der Kinderchirurgie oder der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgeschlossen hatten, wurden nicht in die Studie eingeschlossen. Zunächst wurde eine Gesamtanalyse durchgeführt ohne zwischen den besuchten Lehrkrankenhäusern zu unterschieden. Anschliessend wurden die verschiedenen Lehrkrankenhäuser verglichen, sofern sie von minimal 10 Studierenden besucht wurden, um mögliche wesentliche Unterschiede im Lehrprogramm, den Erfahrungen der Studierenden oder ihren erreichten Supervisions-Niveaus in den EPAs herauszufinden.

Die statistische Auswertung wurde mit IBM® SPSS® statistics version 26 (IBM, Armonk, NY) durchgeführt. Einfache deskriptive Statistik und Häufigkeiten wurden verwendet um alle Variablen zu beschreiben. Der Durchschnitt und die Standardabweichung (SD) wurden verwendet um die Einschätzung der Studierenden zu ihren Aussagen zu beschreiben, sowie Boxplot Analysen um den Median zu berechnen und die Verteilung dieser Antworten darzustellen. Beschreibende Statistik und Balkendiagramme wurden benutzt um die Verteilung der verschiedenen Level, die die Studierenden erreicht hatten, zu berechnen und darzustellen.

In dieser Studie wurde eine EPA als erreicht eingestuft, wenn mindestens 2/3 aller Studierenden angaben, dass sie diese EPA auf Level 3 oder höher durchführen können.

3. Ergebnisse

3.1. Demographische Daten

Von den 316 Medizinstudierenden, die ihr letztes Jahr an der UZH besuchten, beantworteten 189 diese Umfrage, resultierend in einer Antwortrate von 59.8%. 177 Studierende absolvierten eine Pädiatrie-Rotation in diesem Jahr. Unter den Studierenden, die antworteten, hatten 113 eine Pädiatrie-Rotation absolviert, 29 wurden am Universitäts-Kinderspital Zürich ausgebildet, 22 an den Kinderspitälern in Luzern, 14 in Winterthur, 13 in St. Gallen und 10 in Bern. Zudem wurden pädiatrische klinische Praktika an 9 weiteren Kinderkrankenhäusern in der Schweiz absolviert von 9 oder weniger Studierenden pro Ort, während 3 Studierende an Kinderkrankenhäusern im Ausland ausgebildet wurden (jeweils Ghana, Uganda and Kenia). Die meisten Studierenden arbeiteten an einem einzigen Krankenhaus (93.7%) für eine Dauer von 1-3 Monaten (66.9%). Das Durchschnittalter der Teilnehmenden war 25.6 Jahre (SD 2.3), wobei 64.6% weiblich waren and 93.3% deutsch als Muttersprache angaben.

3.2. Allgemeine Erfahrungen und Zufriedenheit

Der am häufigsten genannte Grund eine pädiatrische Rotation während des WSJ gewählt zu haben war «Interesse am Fach Pädiatrie» (80.9%), und die am häufigsten genannte Erwartung war „einen Einblick in diese Fachrichtung zu bekommen“ (93.6%). Das WSJ hat insgesamt 77.1% der Studierenden „gut“ oder „sehr gut“ gefallen. Insgesamt würden 87% der Studierenden eine Pädiatrie-Rotation weiterempfehlen, wobei 71.4% das WSJ am selben Lehrspital weiterempfehlen würden, an dem sie ausgebildet wurden. Die Erfahrung im WSJ beeinflusste bei 35.8% (39) aller Studierenden die zukünftigen Karrierepläne, davon für 56.5% (22) zukünftig eine Weiterbildung in Pädiatrie zu verfolgen, während 43.6% (17) diese Pläne verwarfen aufgrund ihrer Erfahrungen während der Rotation im Hinblick auf den Arbeitsalltag und die Arbeitsbedingungen eines Pädiaters/einer Pädiaterin (siehe Tabelle 3 [Tab. 3]).

Tabelle 3: Allgemeine Zufriedenheit mit der pädiatrischen Rotation im Wahlstudienjahr (WSJ)

In 53.6% der pädiatrischen Praktika wurden spezielle Kurse angeboten, wobei sich 50.5% der Studierenden mehr strukturierte Ausbildungsangebote gewünscht hätten. Jedoch variierten die Zahlen stark zwischen den verschiedenen Lehrkrankenhäusern.

Betreffend dem Arbeitsalltag während der Rotation konnten die Studierenden meist ihre Kenntnisse anwenden und pädiatrische klinische Fertigkeiten üben und es wurden ihnen selbständige Aufgaben übertragen und Wissen von den medizinischen Ausbildern vermittelt. Insgesamt wurde das Feedback, das sie erhielten, meist als hilfreich eingeschätzt, und die Studierenden fühlten sich oft in das klinische Team eingebunden und wertgeschätzt.

In Bezug auf den Nutzen des Mini-CEX nahmen die meisten Studierenden eine neutrale Position ein, ob es half ihre Kompetenzen und Schwachstellen aufzuzeigen und ob das erhaltene Feedback nützlich war. Auch diese Ergebnisse variierten zwischen den einzelnen Lehrspitälern, wie auch Unterschiede im Curriculum und in der Arbeitskultur beschrieben wurden, ebenso wie Unterschiede in der korrekten Durchführung der Mini-CEX. Jedes Lehrkrankenhaus hatte Vor- und Nachteile in mindestens einem dieser Aspekte im Vergleich zur Gesamtbeurteilung. Die Zufriedenheit der Studierenden unterschied sich auch abhängig von der Abteilung in der sie eingesetzt wurden während der Rotation und welche Arbeiten von ihnen erwartet wurden. Zu den häufigen Kommentaren der im Fragebogen angegeben wurde gehörte, dass die Studierenden die direkte Beteiligung an der Patientenversorgung und ein gewisses Mass an selbständigem Arbeiten (mit rechtzeitiger Unterstützung durch einen Assistenzarzt*in oder Oberarzt*in), wie es in der Notaufnahme meist möglich ist, für wesentlich lehrreicher hielten als die reine Erledigung von Papierarbeit auf der Station. Das Logbuch wurde in keiner Weise als nützlich eingestuft (siehe Tabelle 4 [Tab. 4]).

Tabelle 4: Aussagen die Pädiatrie-Rotation im WSJ betreffend

3.3. Erreichtes Level an Kompetenz in EPAs

Das selbst eingeschätzte Kompetenz-Level, das für die verschiedenen EPAs erreicht wurde, variierte erheblich. Bei 14 von 26 EPAs stuften sich mindestens zwei Drittel aller Studierenden auf das erwartete Level 3 oder höher ein (indirekte oder entfernte Supervision). Ein Kompetenz-Level von mindestens 2 (enge Supervision) wurde bei insgesamt 23 EPAs erreicht.

Für die EPA 1 „Erheben einer Anamnese“ fühlten sich mehr als 2/3 aller Studierenden sicher auf Level 3 oder höher eine altersspezifische pädiatrische Anamnese zu erheben, wohingegen mehr Supervision benötigt wurde bei der Beurteilung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen (von 2/3 auf Level 2 oder höher erreicht).

Bei EPA 2 „Beurteilen des physischen und geistigen Zustandes“ wurde das erwartete Level an Supervision (Level 3 wurde von mindestens 2/3 erreicht) für die EPAs erfüllt, die die allgemeine körperliche Untersuchung betreffen, die Interpretation auffälliger Befunde und die spezifische Untersuchung von Herz-Kreislaufsystem, Lunge, Abdomen, Hals-Nasen-Ohren und neurologische Untersuchung. Die orthopädische Untersuchung von Gelenken und Wirbelsäule, die Untersuchung der männlichen Genitalien, die Beurteilung altersspezifischer Körpermasse und die Beurteilung der altersspezifischen Entwicklung bereiteten hingegen mehr Schwierigkeiten und erforderten eine engere Supervision, ebenso wie die Untersuchung von Neugeborenen und des pubertären Wachstums, wofür weniger als 2/3 Level 2 oder höher erreichten.

EPA 3 „Priorisierung von Differentialdiagnosen nach klinischer Konsultation“ und EPA 4 „Anordnung und Interpretation von diagnostischen und Screening Tests in häufigen Situationen“ wurden von 2/3 der Studierenden nicht auf dem erwarteten Level 3 erworben. Eine engere Supervision wurde benötigt, um die Dringlichkeit einer Notfallsituation einzuschätzen, eine Differentialdiagnose unter Einbezug wissenschaftlicher Grundlagen zu entwickeln, bei der Verordnung und Interpretation von bildgebenden Untersuchungen, sowie der Interpretation von Testresultaten und Integration dieser in die Differentialdiagnose (Level 2 oder höher wurde von 2/3 der Studierenden erreicht), ebenso wie evidenzbasierte, kosteneffiziente Anordnung von Untersuchungen (weniger als 2/3 der Studierenden erreichten Level 2 oder höher).

EPA 8 „Dokumentation der Krankengeschichte und Patientenvorstellung“ wurde von mehr als 2/3 aller Studierenden auf Level 3 durchgeführt, so wie sie in der Lage waren eine Patientenakte zu führen und eine organisierte mündliche Patientenvorstellung auf Level 3 durchzuführen (siehe Anhang 2 [Anh. 2]).

Beim Vergleich der Gesamtanalyse mit den einzelnen Ergebnissen der vier Lehrkrankenhäuser wurden Unterschiede festgestellt. Von den 14 EPAs bei denen die erwartete indirekte Supervision in der Gesamtauswertung erreicht wurde, zeigten die Ergebnisse, dass 3 EPAs von den Studierenden an mindestens einem Lehrkrankenhaus nicht auf dem erforderlichen Level erreicht wurden (siehe Abbildung 1 [Abb. 1]). Darüberhinaus zeigte sich, dass von den 12 EPAs, die die Studierenden in der Gesamtanalyse nicht auf Level 3 durchführen konnten, in der Analyse der einzelnen Lehrkrankenhäuser die Studierenden an mindestens einem Krankenhaus das geforderte Level an Supervision in 3 EPAs erreichten (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]).

Abbildung 1: Vergleich der Lehrspitäler in Bezug auf die EPAs, in denen die Studierenden Level 3 erreicht haben in der Gesamtanalyse, jedoch nicht in der Einzel-Analyse der jeweiligen Lehrspitäler
Anmerkung: Verteilung des Levels an Supervision der Entrustable Professional Activities (EPAs) nach Lehrspitälern. Für diese EPAs wurde das erforderliche Level 3 erreicht in der Gesamtanalyse. Jedoch waren einige Studierende in bestimmten Lehrspitälern nicht fähig diese EPAs mit dem geforderten Level an Supervision durchzuführen.
Level an Supervision ist definiert als (1) Studierende dürfen die EPA nur beobachten (2) EPA kann unter direkter Supervision durchgeführt werden, (3) EPA kann unter indirekter Supervision durchgeführt werden, (4) EPA kann unabhängig durchgeführt werden, unter entfernter Supervision. Spitäler A – D repräsentieren vier verschiedene Lehrspitäler, die ein pädiatrisches Wahlstudienjahr anbieten, an dem mindestens 10 Studierende teilgenommen haben. Alle übrigen Lehrspitäler, die eine pädiatrische Rotation anbieten, an der nur von 9 oder weniger Studierende teilgenommen haben, wurden in einer Kategorie zusammengefasst.


Abbildung 2: Vergleich der Lehrspitäler in Bezug auf die EPAs, in denen die Studierenden Level 3 in der Einzelanalyse einiger Lehrspitäler erreicht haben, jedoch nicht in der Gesamtanalyse
Anmerkung: Verteilung des Levels an Supervision der Entrustable Professional Activities (EPAs) nach Lehrspitälern. Für diese EPAs wurde Level 1 oder 2 in der Gesamtanalyse erreicht. Jedoch haben Studierende in bestimmten Lehrspitälern das geforderte Level 3 an Supervision erreicht.
Level an Supervision ist definiert als (1) Studierende dürfen die EPA nur beobachten (2) EPA kann unter direkter Supervision durchgeführt werden, (3) EPA kann unter indirekter Supervision durchgeführt werden, (4) EPA kann unabhängig durchgeführt werden, unter entfernter Supervision. Spitäler A – D repräsentieren vier verschiedene Lehrspitäler, die ein pädiatrisches Wahlstudienjahr anbieten, an dem mindestens 10 Studierende teilgenommen haben. Alle übrigen Lehrspitäler, die eine pädiatrische Rotation anbieten, an der nur von 9 oder weniger Studierende teilgenommen haben, wurden in einer Kategorie zusammengefasst.

Unterschiede zwischen der Gesamt- und der Einzelanalyse wurden für 6 EPAs festgestellt, und für jedes Lehrkrankenhaus wurden sie mindestens für eine EPA gefunden. Diese Unterschiede sind jedoch aufgrund der Stichprobengrösse wahrscheinlich eher ein Hinweis auf die Stichprobenvarianz als auf einen systemischen Effekt.

4. Diskussion

Klinische Praktika in der Pädiatrie, wie sie im WSJ angeboten werden, bieten den Medizinstudierenden eine ideale Gelegenheit klinische Fertigkeiten und Kompetenzen zu trainieren und gleichzeitig einen Einblick in den klinischen Alltag eines Pädiaters/einer Pädiaterin zu gewinnen [10]. Am Ende des Medizinstudiums sollten die Studierenden kompetent sein, korrekt eine gründliche Untersuchung von pädiatrischen Patienten durchzuführen, eine Differentialdiagnose zu stellen und angemessene Untersuchungen und Therapien einzuleiten.

Unsere Studie ergab, dass die klinische pädiatrische Rotation als Teil des Curriculums der medizinischen Fakultät der UZH für die meisten Studierenden eine insgesamt positive Erfahrung war. Nur 2.8% der Studierenden empfahlen nicht, eine pädiatrische Rotation zu wählen, auch wenn sich 49.5% letztlich gegen eine pädiatrische Facharztweiterbildung entschieden. Dies unterstreicht den Wert und die Wichtigkeit, die die Studierenden diesem Aspekt ihrer Ausbildung beimessen [11].

Zwischen den Vorstellungen der Studierenden von einer erfolgreichen Rotation und den Anforderungen des Curriculums des Medizinstudiums wurden Diskrepanzen festgestellt. Während der PROFILES Katalog auf Kompetenzen und EPAs fokussiert, sind die Erwartungen der Studierenden vielfältiger [12]. In unserer Studie erwartete die Mehrheit der Studierenden (87.3%), ihre pädiatrischen Fertigkeiten und Kenntnisse während der Rotation weiter zu verbessern, aber die am häufigsten erwähnte Erwartung (93.6%) war der Wunsch, einen Einblick in den klinischen Alltag zu erhalten – Ergebnisse, die mit der aktuellen Literatur übereinstimmen [11], [13], [14]. Ziele wie die Gelegenheit, praktische Erfahrungen zu sammeln, die Einbindung in das klinische Team und die Routine sowie die Möglichkeit angemessene Supervision und kompetenzbasiertes Feedback zu erhalten, standen für sie an erster Stelle.

Aktuell waren die Studierenden nur in der Lage 14 der 26 EPAs mit dem von PROFILES erwarteten Level an Supervision am Ende des Medizinstudiums durchzuführen (nach Selbsteinschätzung). Die meisten Studierenden fühlten sich bei der Erhebung der Anamnese, der allgemeinen klinischen Untersuchung und der Dokumentation der klinischen Visite (EPAs 1, 2 und 8) ohne enge Supervision sicher. Diese Fertigkeiten werden in der Regel gelehrt und in verschiedenen klinischen Situationen während der Rotation geübt und fliessen in die Beurteilung der Studierenden ein [15]. Die Studierenden fühlten sich jedoch nicht in der Lage, spezifische Aufgaben wie die Untersuchung von Gelenken und Wirbelsäule, der männlichen Genitalien, die Untersuchung von Neugeborenen und die Beurteilung der altersspezifischen Entwicklung, der Körpermasse und des pubertären Wachstums durchzuführen. Diese Tätigkeiten werden von den Studierenden im Rahmen ihres Praktikums weniger häufig angetroffen und geübt. Auch werden orthopädische Untersuchungen und die Beurteilung der altersspezifischen Entwicklung oft direkt an die Spezialisten überwiesen, wenn eine Behandlung erforderlich ist. Darüber hinaus hatten die Studierenden für andere EPAs nicht die Gelegenheit Level 3 zu erreichen, da medizinische Ausbilder zurückhaltend sind eine entfernte Supervision für Aktivitäten zu erlauben, wie die Untersuchung von Neugeborenen und des männlichen Genitales, sowie die Beurteilung der Pubertätsentwicklung.

Die Studierenden äusserten auch ihr Bedürfnis nach engerer Supervision bei der Priorisierung von Differentialdiagnosen und der Empfehlung und Interpretation von diagnostischen Untersuchungen (EPAs 3 und 4). Diese Tätigkeiten sind komplex, da die Studierenden nicht nur klinische Daten erheben müssen, sondern auch klinische Überlegungen anstellen müssen für die Interpretation und Entscheidungsfindung. Während ihrer Rotationen suchen die Studierenden typischerweise die Beratung durch ihre Supervisoren, bevor sie diese Entscheidungen treffen. Da sich diese Fähigkeiten im Laufe der Zeit und mit zunehmender Erfahrung entwickeln, ist es nicht verwunderlich, dass die Studierenden diese nicht während ihren kurzen Rotationen auf dem geforderten Level erworben haben [15]. Unsere Ergebnisse stimmen mit der Studie von Marty et al. [15] über ehemalige Medizinabsolventen der UZH überein, die in einer ähnlichen Untergruppe von EPAs die erwarteten Level an Supervision nicht erreicht hatten, unabhängig vom Fachgebiet. Es scheint dass diese Lücke zwischen erwartetem und erworbenem Kompetenz-Level nicht nur für die Pädiatrie gilt. Darüber hinaus muss jedoch die Selbsteinschätzung von Kompetenz-Leveln für EPAs mit Vorsicht interpretiert werden, da die Bewertung der EPAs auch den Input der supervidierenden Person einschliessen sollte.

Die Kohorte der Studierenden, die in die Studie eingeschlossen wurde war eine der ersten, die ihre klinische Ausbildung nach der Einführung des neuen nationalen PROFILES-Frameworks im Jahr 2018 begonnen haben. Die Umsetzung des neuen kompetenzbasierten Curriculums liegt in der Verantwortung der einzelnen medizinischen Fakultäten, die Implementierung schreitet weiter fort. In der Arbeit von Sohrmann et al. [2] wird die Implementierung des neuen EPA-Konzepts in der medizinischen Ausbildung als ein anhaltender herausfordernder Prozess beschrieben, der einen kollaborativen Ansatz erfordert, um Synergien auf dem nationalen Level zu entwickeln und die vielfältigen Erfahrungen in der Umsetzung zu teilen. Unsere Studie kann Informationen über die Ausbildung in der Pädiatrie im klinischen Umfeld liefern und einige Lücken aufzeigen. Um den PROFILES Katalog erfolgreich in die pädiatrischen Praktika zu implementieren sind in unseren Augen Anpassungen des derzeitigen Curriculums notwendig. Basierend auf unseren Erkenntnissen schlagen wir Massnahmen vor, um den Kompetenz-Level, der am Ende des Praktikums erreicht wird zu verbessern, was wiederum die positive Gesamterfahrung der Studierenden verstärken wird.

Die Studierenden müssen direkter in die Patientenversorgung einbezogen, Verantwortung übernehmen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten ihrem Können entsprechend anwenden können [16], [17]. Den geforderten Level an Supervision für eine EPA zu erreichen, zu behalten und zu verbessern erfordert regelmässige Auseinandersetzung mit diesen Fähigkeiten und deren praktische Übung [16], [18]. Dies deckt sich mit unseren Erkenntnissen, dass die Studierenden die Arbeit auf der Notaufnahme als besonders lehrreich empfinden, da sie dort Patienten in nicht lebensbedrohlichen Situationen selbständiger behandeln können, während sie Frustration erleben, wenn sie auf Station eingeteilt sind um Papierarbeit zu erledigen mit weniger Einbezug in die Patientenversorgung.

Da Supervision und Feedback wesentlich sind für das Training von Kompetenzen [19], sollten medizinische Ausbilder Schulungen und Trainings bekommen, wie man Feedback gibt, Tests durchführt, und insbesondere EPAs beurteilt [9]. Individualisiertes und qualitatives Feedback kann das Kompetenz-Level der Studierenden verbessern und ihnen helfen, ihre Stärken und Schwächen zu verstehen [20], [21]. Das Anvertrauen einer Aufgabe durch einen Vorgesetzten ist die Voraussetzung für das nächste Level einer EPA [16], [22]. Medizinische Ausbilder sollten während einer Rotation aktiv auf täglicher Basis Supervision und Feedback anbieten, zusätzlich zu strukturierten Beurteilungen. Zudem wurde gezeigt, dass durch die Einführung von EPAs in klinische Praktika die Studierenden vom prompten und spezifischen Feedback profitieren können [8]. Daher sollten medizinische Ausbilder instruiert werden, das Training von EPAs aktiv in den klinischen Alltag einzuführen, wann immer möglich, mit dem Schwerpunkt auf EPAs, für die Level 3 nicht erreicht wurde, die jedoch in der Pädiatrie als wesentlich eingeschätzt werden und relativ einfach zu lernen und zu üben sind, wie beispielsweise die Verwendung von Perzentilen für die Wachstumsbeurteilung. Strukturierte Lehrmodule können für Themen angeboten werden, mit denen die Studierenden während der Rotation nicht regelmässig in Berührung kommen – ein Ansatz der auch bei der Einführung von EPAs von anderen Lehrkrankenhäusern gewählt wurde [4], [8]. So empfehlen wir die Einführung von Trainingsmodulen für die orthopädische Untersuchung, die Untersuchung von Neugeborenen und die Interpretation radiologischer Bildgebung in das WSJ. Solche Trainingsprogramme können den Studierenden helfen ihr Kompetenzniveau zu verbessern, was gemäss unserer Studie sehr geschätzt wurde [16]. Bewertungsinstrumente wie Mini-CEX können als hilfreiches Instrument zur Beurteilung des Leistungsniveaus der Studierenden eingesetzt werden, sofern sie korrekt durchgeführt werden [23]. Ein Mini-CEX das strukturiertes individualisiertes Feedback enthält kann sowohl die Erfahrung der Studierenden als auch ihr Kompetenzniveau verbessern [24]. Dies deckt sich mit unserem Befund, dass die Studierenden das Mini-CEX nur dann nützlich fanden, wenn es korrekt durchgeführt wurde. Deshalb ist es wichtig, dass medizinische Ausbilder Anleitung erhalten, wie diese Tests korrekt durchgeführt werden. Da die Studierenden keinen Nutzen aus dem Logbuch gezogen haben, sollten Alternativen diskutiert werden. Zu den Möglichkeiten könnten technologische Lösungen gehören, wie z.B. App-gestützte Assessment Tools für EPAs [8].

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die im PROFILES Katalog aufgeführten EPAs nicht spezifisch für die Pädiatrie entworfen wurden und oft Fertigkeiten und Methoden enthalten, die in diesem Bereich gewöhnlich nicht benutzt werden. Daher ist es notwendig, dass EPAs ausgewählt und angepasst werden, wenn ein Curriculum für pädiatrische Praktika entwickelt wird – eine Herausforderung, die auch von anderen medizinischen Fakultäten festgestellt wurde bei der Implementierung von EPAs in die medizinische Ausbildung [8], [9]. Manche EPAs scheinen für die Ausbildung zu ambitioniert, vor allem wenn das Kompetenz-Level 3 als Ziel erwartet wird, wie beispielsweise EPAs, die sich auf die Untersuchung von Neugeborenen, der männlichen Genitalien, die Beurteilung der kindlichen Entwicklung beziehen, sowie diejenigen die die Differentialdiagnose und die Verordnung und Interpretation von Diagnostik betreffen. Diese EPAs sind vermutlich keine realistischen Ziele für die studentische Ausbildung, da die Studierenden möglicherweise keine Gelegenheit haben werden diese mit entfernter Supervision durchzuführen aufgrund der hohen Verantwortung die damit einhergeht. Unserer Meinung nach ist das Erreichen von Level 2, was einer Durchführung unter direkter Supervision entspricht, für manche EPAs ein realistischeres und ausreichendes Ziel für die Ausbildung von Studenten (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Da das erwartete Kompetenz-Level am Ende der medizinischen Ausbildung den Beginn der ärztlichen Weiterbildung markiert, sollte ein Angleich an das pädiatrische Facharztcurriculum angestrebt werden.

Insgesamt stellt die Einführung des PROFILES Katalogs eine Chance dar, die medizinische Ausbildung und das kompetenzbasierte Training in den klinischen pädiatrischen Praktika zu verbessern. Auch wenn die Prioritäten der Studierenden über das Erreichen von Kompetenz-Leveln in EPAs hinausgehen, bilden diese die Grundlage für ein Curriculum, das zum Ziel hat eine hohe Ausbildungsqualität zu sicherzustellen indem es klinische Fähigkeiten und klinisches Denken verbessert. Mit der Einführung des PROFILES Katalogs können pädiatrische Praktika das Ziel erreichen eine kompetenzbasierte Ausbildung zu bieten.

4.1. Limitationen

Für unsere Studie wurde die Selbsteinschätzung des Levels an Supervision, das für die EPAs benötigt wird, herangezogen. Die Entscheidung über das Anvertrauen von Tätigkeiten wird jedoch normalerweise von klinischen Ausbildern getroffen. Diese beruht nicht nur auf dem Wissen und den Fertigkeiten des/der Studierenden, sondern auf deren Einstellung, wie z.B. dem Verständnis für die eigenen Grenzen und der Fähigkeit zu erkennen, wann Hilfe benötigt wird, und wird zusätzlich durch die Eigenschaften und dem Vertrauen des Ausbilders in das Können des/der Studierenden beeinflusst [5], [7], [22], [25]. Diese Aspekte waren in unserer Umfrage nicht unbedingt vertreten. Selbsteinschätzung kann auch dazu führen, dass die tatsächlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten über- oder unterschätzt werden [26]. Zusätzlich umfassen einige EPAs mehrere Untersuchungen oder Fertigkeiten in ihrer Beschreibung, was zu Ungenauigkeiten in der Selbsteinschätzung führen kann, sowie zu Unsicherheiten über die tatsächliche Bedeutung von etwas komplexer formulierten EPAs (z.B. EPA 4.2 „Anführen einer informierten, evidenzbasierten Indikation, um Untersuchungen anzuordnen, (wenn angebracht, unter Einbezug medizinischer Grunddisziplinen, abhängig vom klinischen Zustandsbild); Achten auf Kosteneffizienz“).

Eine weitere Einschränkung ist die ausschliessliche Verwendung eines Fragebogens, um die Forschungsfragen zu beantworten. Ein Mixed-Methods-Ansatz mit zusätzlicher Fokusgruppen-Diskussion und Interviews hätte dazu beitragen können, das Verständnis und die Interpretation unserer qualitativen Ergebnisse zu vertiefen. Um ein umfassenderes Bild zu erhalten wurde es jedoch als praktikabler erachtet alle Studierenden zum Ausfüllen eines elektronischen Fragebogens aufzufordern und damit eine hohe Beteiligung zu erreichen.

5. Schlussfolgerung

Die Mehrheit der Studierenden berichtete mit ihrer pädiatrischen Rotation während des WSJ zufrieden zu sein, wobei die Integration in das klinische Team, das Erhalten von Feedback und Supervision durch die medizinischen Ausbilder sowie die Verbesserung des Kompetenzniveaus wichtige Aspekte waren. Es besteht jedoch Bedarf an besserer Integration in die klinischen Teams, Verstärkung von Supervision und Feedback und das Training durch Ausbilder in pädiatrischen klinischen Fähigkeiten und Kompetenzen, um die Ausbildungserfahrung zu verbessern.

Die Einführung von EPAs im klinischen Kontext entspricht diesen Zielen, auch wenn die Rolle der EPAs und die Beurteilung klinischer Fertigkeiten in der Pädiatrie noch definiert werden muss. Einige EPAs im PROFILES Katalog sind möglicherweise weniger für die Pädiatrie geeignet, und es besteht die Notwendigkeit, bestimmte EPAs anzupassen oder ein tieferes Kompetenz-Level als realistischeres Ziel für die Ausbildung im Medizinstudium festzulegen.

5.1. Praxispunkte

Um den derzeitigen Ausbildungsstandard und das Erreichen des erforderlichen Levels an Supervision für die EPAs zu verbessern, schlagen wir die Einführung folgender Massnahmen in die pädiatrische klinische Ausbildung vor:

  • Instruktion der Fakultät/medizinischen Ausbilder den Studierenden aktiv Supervision und Feedback zu geben
  • Studierende werden mit der Übernahme von Verantwortung für die Patientenversorgung betraut
  • Implementierung von Lehrmodulen während der Rotation, um spezifische Fertigkeiten zu trainieren
  • Anpassung von EPAs an Pädiatrie-spezifische Fertigkeiten, wobei Level 2 an Supervision als ausreichend eingeschätzt wird in Bezug auf die Untersuchung von Neugeborenen, der männlichen Genitalien und der Beurteilung der Entwicklung

Anmerkungen

Autorenschaft

Die Autoren Michelle Seiler und Sabine Kroiss Benninger teilen sich die Letztautorenschaft.

ORCIDs der Autor*innen

Interessenkonflikt

Die Autor*innen erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

[1] Michaud PA, Jucker-Kupper P; members of the Profiles working group. PROFILES; Principal Objectives and Framework for Integrated Learning and Education in Switzerland. Bern: Joint Commission of the Swiss Medical Schools; 2017.
[2] Sohrmann M, Berendonk C, Nendaz M, Bonvin R; Swiss Working Group For Profiles Implementation. Nationwide introduction of a new competency framework for undergraduate medical curricula: a collaborative approach. Swiss Med Wkly. 2020;150:w20201. DOI: 10.57187/smw.2020.20201
[3] Michaud PA, Jucker-Kupper P; The Profiles Working Group. The "Profiles" document: a modern revision of the objectives of undergraduate medical studies in Switzerland. Swiss Med Wkly. 2016;146:w14270. DOI: 10.4414/smw.2016.14270
[4] Meyer EG, Chen HC, Uijtdehaage S, Durning SJ, Maggio LA. Scoping Review of Entrustable Professional Activities in Undergraduate Medical Education. Acad Med. 2019;94(7):1040-1049. DOI: 10.1097/ACM.0000000000002735
[5] van Bockel EA, Walstock PA, van Mook WN, Arbous MS, Tepaske R, van Hemel TJ, Müller MC, Delwig H, Tulleken JE. Entrustable professional activities (EPAs) for postgraduate competency based intensive care medicine training in the Netherlands: The next step towards excellence in intensive care medicine training. J Crit Care. 2019;54:261-267. DOI: 10.1016/j.jcrc.2019.09.012
[6] Chen HC, van den Broek WE, ten Cate O. The case for use of entrustable professional activities in undergraduate medical education. Acad Med. 2015;90(4):431-436. DOI: 10.1097/ACM.0000000000000586
[7] Ten Cate O. Nuts and bolts of entrustable professional activities. J Grad Med Educ. 2013;5(1):157-158. DOI: 10.4300/JGME-D-12-00380.1
[8] Encandela JA, Shaull L, Jayas A, Amiel JM, Brown DR, Obeso VT, Ryan MS, Andriole DA; Core Entrustable Professional Activities for Entering Residency Pilot. Entrustable professional activities as a training and assessment framework in undergraduate medical education: A case study of a multi-institutional pilot. Med Educ Online. 2023;28(1):2175405. DOI: 10.1080/10872981.2023.2175405
[9] Lomis K, Amiel JM, Ryan MS, Esposito K, Green M, Stagnaro-Green A, Bull J, Mejicano GC; AAMC Core APAs for Entering Residency Pilot Team. Implementing an Entrustable Professional Activities Framework in Undergraduate Medical Education: Early Lessons From the AAMC Core Entrustable Professional Activities for Entering Residency Pilot. Acad Med. 2017;92(6):765-770. DOI: 10.1097/ACM.0000000000001543
[10] Bindal T, Wall D, Goodyear HM. Medical students' views on selecting paediatrics as a career choice. Eur J Pediatr. 2011;170(9):1193-1199. DOI: 10.1007/s00431-011-1467-9
[11] Fida NM, Farouq M, Alamawi D, Kamfar H. Undergraduate medical students' perceptions of their learning experience in pediatric rotation at King Abdulaziz University Medical College in Jeddah, Saudi Arabia. Med Teach. 2017;39(sup1):S37-S44. DOI: 10.1080/0142159X.2016.1254747
[12] Gerbase MW, Germond M, Nendaz MR, Vu NV. When the evaluated becomes evaluator: what can we learn from students' experiences during clerkships? Acad Med. 2009;84(7):877-885. DOI: 10.1097/ACM.0b013e3181a8171e
[13] García-Huidobro D, Núñez F, Vargas P, Astudillo S, Hitschfeld M, Gennero R, Salvatierra L, Benavente A. Expectativas de estudiantes de medicina de pregrado en relación al perfil de médico esperado [Undergraduate medical students' expectative of their desired profile as medical doctors]. Rev Med Chil. 2006;134(8):947-54. DOI: 10.4067/s0034-98872006000800001
[14] Hendaus MA, Khan S, Osman S, Alsamman Y, Khanna T, Alhammadi AH. Physician and medical student perceptions and expectations of the pediatric clerkship: a Qatar experience. Adv Med Educ Pract. 2016;7:287-292. DOI: 10.2147/AMEP.S95559
[15] Marty A, Frick S, Bruderer Enzler H, Zundel S. An analysis of core EPAs reveals a gap between curricular expectations and medical school graduates' self-perceived level of competence. BMC Med Educ. 2021;21(1):105. DOI: 10.1186/s12909-021-02534-w
[16] Ten Cate O, Chen HC, Hoff RG, Peters H, Bok H, van der Schaaf M. Curriculum development for the workplace using Entrustable Professional Activities (EPAs): AMEE Guide No. 99. Med Teach. 2015;37(11):983-1002. DOI: 10.3109/0142159X.2015.1060308
[17] Ten Cate O, Carraccio C. Envisioning a True Continuum of Competency-Based Medical Education, Training, and Practice. Acad Med. 2019;94(9):1283-1288. DOI: 10.1097/ACM.0000000000002687
[18] van den Broek WE, Wijnen-Meijer M, Ten Cate O, van Dijk M. Medical students' preparation for the transition to postgraduate training through final year elective rotations. GMS J Med Educ. 2017;34(5):Doc65. DOI: 10.3205/zma001142
[19] Wimmers PF, Schmidt HG, Splinter TA. Influence of clerkship experiences on clinical competence. Med Educ. 2006;40(5):450-458. DOI: 10.1111/j.1365-2929.2006.02447.x
[20] Cutrer WB, Russell RG, Davidson M, Lomis KD. Assessing medical student performance of Entrustable Professional Activities: A mixed methods comparison of Co-Activity and Supervisory Scales. Med Teach. 2020;42(3):325-332. DOI: 10.1080/0142159X.2019.1686135
[21] Carraccio C, Englander R, Gilhooly J, Mink R, Hofkosh D, Barone MA, Holmboe ES. Building a Framework of Entrustable Professional Activities, Supported by Competencies and Milestones, to Bridge the Educational Continuum. Acad Med. 2017;92(3):324-330. DOI: 10.1097/ACM.0000000000001141
[22] Brown DR, Warren JB, Hyderi A, Drusin RE, Moeller J, Rosenfeld M, Orlander PR, Yingling S, Call S, Terhune K, Bull J, Englander R, Wagner DP; AAMC Core Entrustable PRofessional Activities for Entering Residenca Entrustment Concept Group. Finding a Path to Entrustment in Undergraduate Medical Education: A Progress Report From the AAMC Core Entrustable Professional Activities for Entering Residency Entrustment Concept Group. Acad Med. 2017;92(6):774-779. DOI: 10.1097/ACM.0000000000001544
[23] Norcini J, Burch V. Workplace-based assessment as an educational tool: AMEE Guide No. 31. Med Teach. 2007;29(9):855-871. DOI: 10.1080/01421590701775453
[24] Kim S, Willett LR, Noveck H, Patel MS, Walker JA, Terregino CA. Implementation of a Mini-CEX Requirement Across All Third-Year Clerkships. Teach Learn Med. 2016;28(4):424-431. DOI: 10.1080/10401334.2016.1165682
[25] Veale P, Busche K, Touchie C, Coderre S, McLaughlin K. Choosing Our Own Pathway to Competency-Based Undergraduate Medical Education. Acad Med. 2019;94(1):25-30. DOI: 10.1097/ACM.0000000000002410
[26] Winn AS, Marcus CH, Sectish TC, Williams K, Landrigan CP. A Comparison of Resident Self-Perception and Pediatric Hospitalist Perceptions of the Supervisory Needs of New Interns. Hosp Pediatr. 2018;8(4):214-219. DOI: 10.1542/hpeds.2017-0212
[27] Breckwoldt J, Beckers SK, Breuer G, Marty A. „Entrustable professional activities“ : Zukunftsweisendes Konzept für die ärztliche Weiterbildung [Entrustable professional activities : Promising concept in postgraduate medical education]. Anaesthesist. 2018;67(6):452-457. DOI: 10.1007/s00101-018-0420-y


Anhänge

Anhang 1Umfrage über das Wahlstudienjahr Pädiatrie (Anhang_1.pdf, application/pdf, 279.65 KBytes)
Anhang 2Entrustable Professional Activities gemäss PROFILES, angepasst für die Studie (Anhang_2.pdf, application/pdf, 152.61 KBytes)